Eine sehr schöne Kritik zu einem mittlerweile fast in Vergessenheit geratenen Film. Ich habe mir den Film vor einigen Tagen zum ersten Mal angesehen und fand ihn äußerst gelungen. Vor allem im Vergleich zu anderen Schulfilmen bezieht „Half Nelson“ die Stärke daraus, dass er sich ohne Hektik oder Überdramatisierung seinen Protagonisten nähert und den Alltag der beiden Hauptcharaktere eben relativ nüchtern zeigt.
Die Beziehung zwischen Drey und Dan Dunne wird ohne Sentimentalitäten gezeigt und vor allem das Rollenverhältnis wird gezielt auf den Kopf gestellt. Zunächst gibt es das klassische Lehrer-Schüler-Verhältnis, dass sich dann zu einer Freundschaft entwickelt nachdem Drey Dan auf der Schultoilette beim Drogenkonsum erwischt (und dadurch einen gewissen Autoritätsverlust gegenüber Drey erleidet) und schlussendlich kippt das Rollenverhältnis vollständig, wenn sie zum Drogenkurier wird und ihn beliefert.
Um es plakativ auszurücken; er als Lehrer bringt den Kindern und Drey den Lernstoff nahe und sie gibt ihm dann später den richtigen Stoff. Zugleich versuche beide aneinander zu retten, was aber erst gelingt, wenn sie sich beide in ihrer anderen Rolle (Verkäufer / Käufer) gegenüberstehen und Drey dann schlussendlich bewusst wird, auf welche Bahn sie gerade gerät.
Die Beziehung der beiden und ihrer gesellschaftlichen Rollen werden im Subtext durchweg mit seiner unkonventionellen dialektischen Lernmethode thematisiert. Während er mithilfe der Dialektik den Schülern beibringt, wie gesellschaftlicher Wandel mit dem Kampf der zu überwindenden Gegensätze gelingen kann, werden diese Gegensätze durch die beiden Protagonisten sichtbar gemacht. Auf der einen Seite der weiße, männliche Lehrer mittleren Alters und auf der anderen Seite die schwarze, weibliche Schülerin im Teenager-Alter. Und schlussendlich ist er der Drogenkonsument und sie die Drogenverkäuferin. Selbst der Charakter Dan Dunne verbindet die Gegensätze in seiner Person. Alternierend wird er als motivierender, idealistischer Lehrer gezeigt und als heruntergekommenes, passives Drogenwrack. Doch durch die elliptische Erzählweise umschifft der Film alle Sentimentalitäten und suhlt sich weder im gezeigten Elend noch erliegt er den Klischees eines Feelgood-Movies. Für mich eine große Leistung der beiden Regisseur Ryan Fleck und Anna Boden.