Bedingungslos

deadlyfriend

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Bedingungslos


Julie überlebt nur knapp einen heftigen Autounfall und liegt im Koma. Jonas gibt sich daran eine Teilschuld und beschließt sie im Krankenhaus zu besuchen, um nach ihrem Gesundheitszustand zu sehen. Da er kein Angehöriger ist wird er abgewiesen, aber er gibt sich kurzerhand als ihr Freund aus um ins Zimmer zu kommen. Dort wartet bereits ihre Familie voller Trauer und sieht in ihrem "Freund" einen Hoffnungsträger. Um ihnen ein wenig halt zu geben spielt er die Rolle erstmal mit, ohne sich über mögliche Konsequenzen Gedanken zu machen. Als sie schließlich erwacht kann sie sich an nichts erinnern, aber schon bald merkt er das er ihr bei der Genesung durch seine Anwesenheit hilft und nimmt die grotheske Situation vorerst an. Wenn er nur nicht gleichzeitig verheiratet wäre und nicht beginnen würde tiefe Gefühle für sie zu entwickeln. Zudem wird er mit merkwürdigen Fragen konfrontiert. Unter welchen Umständen ist ihr wirklicher Freund in Hanoi ums Leben gekommen? Wann wird sie sich an die gar nicht existierende Liaison erinnern? Wie kann sie im Koma liegend schwanger werden? Und wer ist dieser Typ der komplett bandagiert jede Nacht im Rollstuhl durch das Krankenhaus fährt und dabei rasend schnell verschwinden kann?

Ole Bornedal der uns vor einigen Jahren mit "Nightwatch" einen fantastischen Thriller ablieferte, kehrt zum Genre zurück und zaubert hier einen fulminanten Beitrag des modernen "film noir". Da er keine ständig wiederkehrenden Charakterprototypen benutzt, weiß man zu keiner Zeit was als nächstes passieren wird.
Schon die Einführung ist äußerst bizarr gefilmt und durch die Arbeit von Jonas als Leichenfotograf der Polizei, gibt er einige Reminiszenzen an seinen Erstling zum Besten. Dies wird aber nicht in die Handlung eingeflochten, weshalb er sich in keiner Sekunde selbst kopiert. Der Spannungslevel ist auf einem absolut hohen Niveau, wobei der Einstieg auch noch einige tiefschwarze Humornoten beinhaltet, die aber keinesfalls deplatziert wirken. Auch die Dialoge sind zu jeder Zeit interessant ausgearbeitet, wodurch in keiner Minute Langeweile entsteht. Erst gegen Ende fällt er in etwas konventionellere Spuren zurück, was aber den Gesamteindruck nicht schmälert. Hinzu kommt eine famose Darstellerriege, die die bewußt eingesetzte Normalität der Protagonisten im Kontrast zur bizarren Handlung, zu jeder Zeit glaubwürdig erscheinen läßt.

Wer also mal einen überdurchschnittlichen Ausbruch aus den gängigen Formen des Thrillers sehen möchte, muß hier einfach zuschlagen.
 

Tarantino1980

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AW: Bedingungslos

Tolle Kritik deadly! Klingt echt sehr interessant der Film nur ich finde einfach keine Videothek die solche Filme hat. Und ich glaub bei so Onlineportalen wie Lovefilm wird man bei sowas auch nicht fündig oder? Aber der interessiert mich wirklich von Deiner Kritik her, vieleicht wage ich einen Blindkauf bei Amazon. Mal schauen.
 

deadlyfriend

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Ich habe ihn von Lovefilm:D Der wandert aber definitiv noch ins Regal. Lovefilm ist aber sehr sehr gut bestückt von der Auswahl und ich spare mir dadurch unglaublich viele Blindkäufe. Zudem noch der Rabatt den man dadurch bei Amazon hat etc.... Aber wir schweifen ab.
Ich würde mich sehr freuen wenn sich den hier wirklich jemand ansehen würde. Wert ist er es in jedem Fall. Ein bißchen hoffe ich da auch auf MiriQ, falls sie ihn noch nicht kennt. Willy dürfte sich dafür aber auch interessieren.
 

Tarantino1980

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Diesen Monat hab ich leider nicht mehr so das Budget für DVD Käufe, ist bei einer Medienversand bestellung schon verplant ;), aber ich denke nächsten Monat werde ich dann einen Blindkauf wagen. Die Kritik liest sich einfach zu gut, als das ich den Film nicht beachte.
 

MiriQ

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Ich kenn den Film auch noch nicht. Da ich aber auch bei Lovefilm unterwegs bin, hab ich ihn gleich auf meine Leihliste gepackt. Da bin ich mal gespannt...Sobald ich ihn gesehen habe, melde ich mich wieder hier an dieser Stelle.
 

Die wilde 13

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Liest sich wirklich toll,obwohl ich bei den ersten Sätzen an Sandra Bullocks Während du schliefst erinnert wurde.
Die Skandinavier haben es ja eh' drauf,unkonventionelle Filme zu machen und dieser hier wird bestimmt irgendwann in naher Zukunft in meine Sammlung wandern.Da kann ich deadly ja bedingungslos vertrauen. Dank ihm entdeckte ich z.B. Perlen wie The Fall* oder Ein Kind zu töten* !
An dieser Stelle mal: Danke,deadly :kiss:

*leider schiebe ich immer noch die KK vor mir her,aber bei beiden Filmen finde ich noch nicht die Wörter,die sie verdient haben :( . Poet müsste man sein ;)
 

MiriQ

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So, grade hab ich mir den Film mal angeschaut und was soll ich sagen - eine Perle. Er hatte alles, was mir an dänischen Filmen so gefällt - diese kalten Farben, Gesichter, die man noch nicht kennt (und deshalb kann man ganz unvoreingenommen an den Film rangehen). Die Leute sehen so herrlich normal aus und geraten in so eine bizarre Geschichte, die ganze Umsetzung - das gibt's nirgendwo anders. Ich find das klasse!
...
Was mir grade so im Kopf hängt - der Vergleich der Ehe mit einem alten Auto...und dann die Suche nach nem Neuen. Und Jonas, der dabei sitzt, sich das anhört und sich in genau dieser Situation befindet. Er ist in seinem alten Leben nur noch anwesend, aber mit allem anderen ist er weit weg und führt schon ein neues Leben.

Jetzt muss ich noch einmal über alles nachdenken...

Danke für den Tip, deadly :)
 

deadlyfriend

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Wenigstens irgendwas erfreuliches heute Abend. Ich war mir fast sicher das er dir gefällt und freue mich das es auch so eintraf:hoch: Auch der Vergleich mit dem Auto ist toll. Du hast völlig Recht. Wo du das jetzt sagst, fällt mir das auch auf. Nun schau dir bitte noch "It`s all about love" an. Das ist für dich ein "Must have". Falls nicht, zahle ich dir den Kauf;)
 

MiriQ

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Wenigstens irgendwas erfreuliches heute Abend. Ich war mir fast sicher das er dir gefällt und freue mich das es auch so eintraf:hoch:
Gern geschehen.
Ich frag mich grad immer noch, was diese Filme an sich haben...Sind es solche Situationen, wo sich zwei Männer über ein paar Leichen hinweg unterhalten und einer dem anderen anbietet, seine Frau zu "übernehmen", wenn der sie nicht mehr will? Oder ein Mann, der seine Frau und Kinder mitten im Einkauf im Supermarkt "verlässt", einfach so. Solche "Bilder" sind schon irgendwie sonderbar, oder?
 

deadlyfriend

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Oder ein Mann, der seine Frau und Kinder mitten im Einkauf im Supermarkt "verlässt", einfach so. Solche "Bilder" sind schon irgendwie sonderbar, oder?


Das war wirklich eine Szene die mir im Gedächtnis blieb. Einfach der Hammer. Nicht konstruiert, es passierte eben. Da der Hollywood-Glanz fehlte, eben auch vorstellbar. Die Frau hat mir in diesem Moment einfach nur leid getan. Mit den Kindern hilflos stehengelassen. Faustschlag für Denkende! Andere sagen: Mann, wann passiert denn da endlich mal was........
 

MiriQ

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Ich dachte auch, wenn du so einfach stehen gelassen wirst und die Kinder noch dabei sind und ... ich meine, das passiert mitten in deinem Alltag und du hast nicht die geringste Chance, dich irgendwie zu wappnen. Allerdings konnte ich auch ihn verstehen. Vielleicht war es ja grade diese stinknormale Situation, die ihm sein Leben vor Augen geführt hat - so ist es immer, jeden Tag, es wird nicht mehr viel anders werden, das wars, jetzt musst du nur noch alt werden...und dann kam diese krasse Reaktion, ein plötzliches Aufbegehren. Vielleicht war der Schritt auch leichter, weil ja schon ein neues Leben wartete. Ein neues Auto...
 

deadlyfriend

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Meine Fresse, wir sollten mal zusammen Filme schauen. Du denkst verdammt ähnlich. Genau diese Chancenlosigkeit war das Abartige! Du wirst da stehen gelassen, kannst nicht trauern, nicht begreifen, weil du die Verantwortung für die Kinder trägst. Aus dem Nichts vernichtet, ohne eine Chance zur Verarbeitung zu haben. Brutal!
Genauso brutal das man ihn verstehen kann. Ich war so perplex das ich nicht wußte was da gerade passierte.
 

Tarantino1980

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So jetzt sind wir hier immerhin schon zu dritt. Habe ihn heute Morgen auch gesehen und er hat mir auch gut gefallen. Zwar war ich jetzt nicht komplett überwältigt, aber für eine solide 8/10 reicht es alle Male und so Filme sind echt selten.

Ich frag mich grad immer noch, was diese Filme an sich haben...Sind es solche Situationen, wo sich zwei Männer über ein paar Leichen hinweg unterhalten und einer dem anderen anbietet, seine Frau zu "übernehmen", wenn der sie nicht mehr will? Oder ein Mann, der seine Frau und Kinder mitten im Einkauf im Supermarkt "verlässt", einfach so. Solche "Bilder" sind schon irgendwie sonderbar, oder?

Das umschreibt es sehr gut Miri! Teilweise wirkten die Erlebnisse sehr sonderbar, aber durch die absolut bodenständigen Charaktere wieder "normal". In einem Hollywood Film wären es wohl zwei "obercoole" Polizisten die diesen Dialog geführt im Leichenschauhaus geführt hätten, hier waren es zwei ganz normale Männer, Freunde die sich schon ewigkeiten kennen und bedingungslos offen zueinander sind.

Das war wirklich eine Szene die mir im Gedächtnis blieb. Einfach der Hammer. Nicht konstruiert, es passierte eben. Da der Hollywood-Glanz fehlte, eben auch vorstellbar. Die Frau hat mir in diesem Moment einfach nur leid getan. Mit den Kindern hilflos stehengelassen. Faustschlag für Denkende! Andere sagen: Mann, wann passiert denn da endlich mal was........

Auch diese Szene war mal wieder ein ganz neues Seherlebnis für mich. Keine in Hochglanz fotographierte Szene mit kitschiger Musik im Hintergrund. Einfach eine Alltagssituation wo Ihm auffällt das es nicht das Leben ist was er will, wovon er träumt. Man merkte natürlich zuvor schon das er sich immer mehr von seinem alltäglichen Leben entfernte, aber genau in dieser Situation packte er den Entschluss sein altes Leben hintersich zu lassen und abzutauchen in ein Scheinleben, weitab von jedem Alltag und der Realität.

Generell fand ich wieder die schöne ruhige Erzählsturktur interessant, keine unnötige Hetze und dennoch war der Film nicht langweilig. Die Laufzeit verging wie im Fluge und man wollte wissen wie es weitergeht.

Das Finale war wieder sehr gut inzeniert. Ein klassicher Showdown und was mir bisher an den Filmen aus dem skandinavische Sektor besonders positiv auffällt es sind realistische Enden, keine weichgespühlten Hollywood Happy Ends wo alles sich zum guten wendet. Es sind Enden die real wirken, so wie man es sich vorstellt. In einem Hollywood Film wäre Jonas am Schluss liebevoll von seiner Frau empfangen worden, sie hätten sich versöhnt und man hätte gesehen das sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage ihr Leben weiter bestreiten. Aber das hätte einfach nicht zum Film gepasst, dieses Ende war einfach passender, auch wenn man es schon zu Anfang des Filmes "gespoilert" bekam. Das war leider ein kleiner Kritikpunkt, man hätte diese Szene am Anfang weglassen sollen, dann hätte das Ende aus meiner Sicht viel intensiver gewirkt.
 

Despair

Filmvisionaer
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Der Film läuft heute nacht auf NDR (Free-TV-Premiere um 0:45 Uhr :rolleyes:). Werde ich aufgrund der positiven Meinungen hier mal aufnehmen.
 

Despair

Filmvisionaer
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Und hier kommt meine Meinung: ziemlich kranke Psychoscheiße. Und das ist absolut positiv gemeint. Die ersten Minuten dachte ich noch: oha, hier will jemand einen möglichst unkonventionellen Film abliefern. Aber dann bekommt man eine relativ vorhersehbare Handlung geboten. Der Polizeifotograf Jonas spielt der nach einem Unfall fast blinden und von Amnesie geplagten Julia vor, ihr Freund Sebastian zu sein. Ist doch klar, dass sie sich irgendwann an vergangene Ereignisse erinnern würde und es zum Eklat kommt. Aber Moment - ganz so einfach ist es dann doch nicht...

Am Ende bleibt ein hervorragend inszenierter und nicht gekünstelt unkonventioneller Thriller, der zu keiner Sekunde langweilt. Großes Kino der nordischen Art.

8/10 Punkte

http://www.ofdb.de/film/152346,BedingungslosHinzu kommt eine famose Darstellerriege, die die bewußt eingesetzte Normalität der Protagonisten im Kontrast zur bizarren Handlung, zu jeder Zeit glaubwürdig erscheinen läßt.

Das ist der große Pluspunkt des Films. Jeder der Protagonisten hat auf seine Art einen an der Klatsche, aber alle kommen irgendwie authentisch rüber. Witzig ist auch die Tatsache, dass Julias Vater aufgrund der "Normalität" ihres Freundes Sebastian überrascht ist.

Nur eine Sache hat mich etwas gestört: warum lässt Jonas Julia mit Sebastian allein? Ihm sollte doch zu diesem Zeitpunkt klar sein, dass dieser ausgesprochen gefährlich ist. Aber okay, dieses Verhalten ist etwas dem obligatorischen Showdown geschuldet, der ein Film dieser Art haben muss.
 
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