John Rabe

deadlyfriend

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AW: John Rabe

John Rabe

Erstmal finde ich es absolut hervorragend das sich jemand einer Thematik angenommen hat, die in der Geschichte nur noch eine Randerscheinung zu sein scheint. Vor allem hierzulande vergißt man oft das der 2.Weltkrieg auch ohne deutsche Beteiligung stattfand. Obwohl das natürlich in diesem Fall auch nicht ganz stimmt, da John Rabe Deutscher war und diese Tatsache allein damals einiges bewirken konnte. Diesmal allerdings Positives, was für die Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht unbedingt selbstverständlich war.

John Rabe ist Leiter einer chinesischen Siemens Niederlassung. Er lebt dort seit nunmehr 27 Jahren mit seiner Frau, ist glühender Verehrer von Adolf Hitler und steht kurz vor seiner Rückkehr nach Berlin. Diese schmeckt ihm allerdings nicht so ganz, aber er muß sie auch nicht antreten. Am Vorabend seiner Abreise greifen die Japaner nämlich die chinesische Hauptstadt an und begehen damit 1937 die ersten Kampfhandlungen des 2. Weltkrieges.
Anfänglich noch zögernd stellt er sein Leben in den Dienst der Menschlichkeit und versucht soviele Chinesen wie möglich, vor den Japanern zu beschützen. Dies gelingt zum Teil, aber auch er ist bei vielen Massakern und Massenvergewaltigungen hilflos.

Der Film ist absolut realitätsnah, obwohl er einiges an vorhandener Härte nur vage andeutet. Trotzdem sind genügend Greueltaten eingebaut und zeigen schonungslos die Verachtung von Menschenleben. Mehr wäre vielleicht auch deplatziert gewesen.
Geschickt verwebt Regisseur Florian Gallenberger Originalaufnahmen und serviert jeweils fulminante Überleitungen zu den Filmaufnahmen. Die Charaktere sind für die kurze Spieldauer von knapp über 2 Stunden sehr gut gezeichnet, obwohl man gerne noch mehr erfahren hätte, da einiges nur angerissen erscheint. Kurz deshalb, weil das Thema eben noch viel mehr hergibt. Das Ensemble ist absolut fantastisch und Ulrich Tukur spielt hier absolut meisterhaft. Die anfängliche Arroganz gegenüber dem chinesischen Volk und die Hingabe zu seiner selbstgestellten Aufgabe ist bravourös gelöst. Steve Buscemi an seiner Seite spielt ebenfalls absolut hervorragend, wobei sich aber auch der Rest nicht verstecken braucht.

Die einzige Fehlentscheidung sehe ich in der Synchronisation. Alle Völker haben deutsche Stimmen bekommen, was teilweise etwas befremdlich wirkt. In diesen Szenen wäre mir wegen der Authentizität die Originalsprache mit Untertiteln lieber gewesen. Das hätte aber wahrscheinlich einen großen Teil des Publikums überfordert.

Wer also einen wirklich guten Film über ein sträflich vernachlässigtes Thema sehen möchte, liegt hier richtig. Geschichtsunterricht gibt es oben drauf und Vorkenntnisse sind zwar nützlich, aber keinesfalls Voraussetzung. Klare Empfehlung!
 

dax

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AW: John Rabe

Ich überlege auch schon länger den zu gucken, habe aber eine absolute Abneigung gegen Ulrich Tukur.
Da ich bisher nur Kritiken gelesen habe, die besagten der Film sei auf mittlerem TV-Niveau, wollte ich den eigentlich nicht schauen.
Nun aber ist der danke Deiner tollen Kritik auf meiner Kaufliste gelandet.
 

dax

Filmvisionaer
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AW: John Rabe

Was für ein genialer Film!
Der von mir eigentlich nicht sonderlich favorisierte Ulrich Tukur war grandios, wie allerdings wirklich jeder der Darsteller.
Fesselnd, packend, spannend und erschütternd sind eigentlich nicht ganz ausreichende Bezeichungen für diesen herausragenden Film über einen überzeugten Nazi, der unzähligen Menschen das Leben rettete und doch vergessen und verarmt sterben musste.
Welch Ironie der Geschichte, das ausgerechnet die Hakenkreuzflagge soviele Leben gerettet hat.

9/10 mit Tendenz nach oben
 

MiriQ

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AW: John Rabe

Wow! Ich habe im National Geographic mal einen ziemlich großen Bericht über den Mann gelesen und war damals schon fasziniert und auch überrascht, weil ich noch nie was von John Rabe gehört hatte. Da wird es wohl Zeit, dass ich mir den Film mal zu Gemüte führe.
 

dax

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AW: John Rabe

Kannst du jetzt auch nur im Entfernten begreifen, was die mit mittlerem TV Niveau meinten?

Nein, nicht mal im Ansatz.
Der Film ist absolut auf Hollywood-Niveau.
Geniales großartiges und bewegendes Kino mit grandiosen Bildern und tollen Sets.
Einer des besten Filme die ich in diesem Jahr gesehen habe.
 

deadlyfriend

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AW: John Rabe

Deshalb war ich ja so ungläubig weil ich das ähnlich sehe. Und Tukur hat man in jeder Minute die Rolle abgenommen. Aber ich gehe davon aus das der Film wieder mal an vielen einfach nur vorbeigehen wird.
 

MiriQ

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AW: John Rabe

Heute hab ich mir den Film endlich auch ansehen können.
Ein wirklich starker Film, das muss ich sagen.
Ich hatte, ja wie gesagt, schon mal über John Rabe gelesen und bin mehr als zufrieden mit der filmischen Umsetzung der Geschichte. Hier hat für mich auch alles gepasst und die Schauspieler machen ihre Sache durchweg sehr gut.
Es ist gut, dass sich jemand mal dieses Themas angenommen hat. Oft gehen solche Geschichten einfach unter.
Ich meine, es gibt Leute, die kennt die ganze Welt, weil sie besonders gut aussehen, besonders doof sind, gut Fußball spielen oder was weiß ich. Aber einen Menschen wie John Rabe kennt kaum einer. Warum eigentlich? Weil der Mann ein überzeugter Nazi war oder ein Anhänger Hitlers? War sein Einsatz für die Menschlichkeit deshalb nur halb soviel wert oder gar nicht erwähnenswert?
Und dann kommt folgendes Bild: Nanking erlebt den ersten Bombenangriff und die vielen Menschen finden ausgerechnet unter der Hakenkreuzfahne Schutz - was für eine Ironie!

Also Ulrich Tukur hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Und es stimmt, die Synchro hat mich auch ein bisschen verwirrt. Ich war noch am überlegen, ob die denn alle deutsch dort gesprochen haben oder doch eher englisch? Was mich aber am meisten irritiert hat, war die ungewohnte Synchronstimme von Steve Buscemi. Aber das nur am Rande...

Es wäre wirklich schön, wenn sich viel mehr Menschen einen Film wie "John Rabe" ansehen würden, den die Menschen, von denen er erzählt haben es verdient, dass die Welt von ihnen erfährt. Und diesem Film gelingt das auf sehr gute Art und Weise.
 

deadlyfriend

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AW: John Rabe

Aber einen Menschen wie John Rabe kennt kaum einer. Warum eigentlich? Weil der Mann ein überzeugter Nazi war oder ein Anhänger Hitlers? War sein Einsatz für die Menschlichkeit deshalb nur halb soviel wert oder gar nicht erwähnenswert?

Das könnte der springende Punkt sein. Ein Mensch der vor 70 Jahren dieser politischen Ideologie folgte, kann nur schlecht gewesen sein.

Und dann kommt folgendes Bild: Nanking erlebt den ersten Bombenangriff und die vielen Menschen finden ausgerechnet unter der Hakenkreuzfahne Schutz - was für eine Ironie!

Das allwissende Volk heute wäre lieber gestorben als sich da drunter zu stellen. Ganz bestimmt sogar;) Die Szene ist der absolute Hammer und wird mir ewig im Gedächtnis bleiben.


Es wäre wirklich schön, wenn sich viel mehr Menschen einen Film wie "John Rabe" ansehen würden, den die Menschen, von denen er erzählt haben es verdient, dass die Welt von ihnen erfährt. Und diesem Film gelingt das auf sehr gute Art und Weise.

Man merkt es wird Weihnachten. Die Wünsche werden immer absurder:D Der Film ist nunmal aus Deutschland was mit "mies" gleichzusetzen ist. Zusätzlich geht es auch noch um einen Nazi der Menschen rettet. Echt nicht! Solange der niemanden foltert oder wenigstens umbringt, kann man sich das nicht ansehen. Außerdem gab es solche Leute bestimmt nicht.

Verzeih mir bitte bei diesem Thema meinen Zynismus.
 

MiriQ

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AW: John Rabe

Das könnte der springende Punkt sein. Ein Mensch der vor 70 Jahren dieser politischen Ideologie folgte, kann nur schlecht gewesen sein.
Genau das nervt mich so! Diese pauschalen Verurteilungen. Dass immer alle in einen Topf geworfen werden. Wer weiß schon, wie man uns dereinst beurteilen wird. Was wir heute für richtig und recht ansehen, das kann in Zukunft schon total verwerflich sein. Würde zum jetzigen Zeitpunkt niemand glauben, könnte aber sein. Deshalb sind wir aber doch keine schlechten Menschen. Und der Mann hat es immerhin geschafft (natürlich nicht allein), dass über 200.000 Menschen weiter leben konnten.
Das allwissende Volk heute wäre lieber gestorben als sich da drunter zu stellen. Ganz bestimmt sogar;) Die Szene ist der absolute Hammer und wird mir ewig im Gedächtnis bleiben.
Ja, das war so genial! Für mich ist das auch eine Schlüsselszene, denn die zeigt genau die Ironie, die ich meine. Meinen Glückwunsch - eine bessere Metapher für genau diese Situation hätte man nicht finden können. Da hab ich innerlich Beifall geklatscht.

Man merkt es wird Weihnachten. Die Wünsche werden immer absurder:D Der Film ist nunmal aus Deutschland was mit "mies" gleichzusetzen ist. Zusätzlich geht es auch noch um einen Nazi der Menschen rettet. Echt nicht! Solange der niemanden foltert oder wenigstens umbringt, kann man sich das nicht ansehen. Außerdem gab es solche Leute bestimmt nicht.

Verzeih mir bitte bei diesem Thema meinen Zynismus.
Da gibt es nix zu verzeihen - ich seh das genau so. Aber der Wunsch ist schon etwas absurd :(, das geb ich zu.
 

JaredKimberlain

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AW: John Rabe

Mist, immer noch nicht gesehen. Aber ich bleibe dran und werde mich dann noch dazu äußern.

Gruß,
J.K.
 

Die wilde 13

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AW: John Rabe

John Rabe ist wirklich unfassbar.Sowohl als Mensch,wobei es eine Schande ist,das man bis zu diesem Film noch nie was von ihm gehört hat.Das gleiche gilt übrigens auch für Oscar Schindler,der mir bis zum Spielbergfilm auch völlig unbekannt war.
Auch als Film besticht John Rabe mit einer außerordentlichen Qualität.Ein klasse Ensemble an Schauspielern (allen voran Tukur und Buscemi),feinfühlig eingewebte Originalaufnahmen und eine bemerkenswert authentische Inszenierung machen den Film zu einem kleinen Meisterwerk."TV-Niveau" konnte ich in keinster Weise entdecken.Totaler Unsinn !!
Die Synchro ist mir am Anfang auch etwas sauer aufgestossen aber so wurde die Szene,als Rabes chinesischer Fahrer drangsaliert und schließlich geköpft wurde,umso eindringlicher.
Ich kann diesen Film einfach nur uneingeschränkt weiterempfehlen. 9/10


Das könnte der springende Punkt sein. Ein Mensch der vor 70 Jahren dieser politischen Ideologie folgte, kann nur schlecht gewesen sein.
John Rabe kannte seine Heimat seit 30 Jahren nur aus den Medien (die man natürlich nicht mit heute vergleichen kann) und somit Nazi-Deutschland nur als glorifizierte Heldennation (z.B. Olympia 1936 in Berlin).In Hitler sah er naiverweise sowas wie einen "Papst",der sich um alles kümmert und die verbündeten Japaner zur Einsicht bringen kann.Welch ein Irrglaube.Erst als er wieder in Berlin war,bekam er die harte Realität zu spüren.
Als die Chinesen schliesslich erfuhren,das "ihr" lebender Buddha Rabe in seiner Heimat am Hungertuch nagte,schickten sie ihm Carepakete und luden ihn und seine Frau ein,zurück nach China zu kommen.Er hat es aber abgelehnt....
All das erfährt man u.a. in der Doku,die sehr sehenswert ist :hoch:

Das allwissende Volk heute wäre lieber gestorben als sich da drunter zu stellen. Ganz bestimmt sogar;) Die Szene ist der absolute Hammer und wird mir ewig im Gedächtnis bleiben.
Wie sagte Buscemi im Film so voller Ironie: "Ich hätte nie gedacht,das meine ganze Hoffnung mal an Hitler hängt" !
Diese Szene mit der Fahne ging wirklich unter die Haut und das war wohl das einzige Mal,das das Hakenkreuz humanitäre Pflichten erfüllt hat.Unglaublich,aber wahr.
 

Despair

Filmvisionaer
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Somewhere in Hessen
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AW: John Rabe

Ich finde den Film nicht so stark wie alle Anderen hier im Thread. Einer muss halt immer aus der Reihe tanzen. ;)

Zwar ist "John Rabe" weit von einem schlechten Film entfernt, aber als allzu realistisch würde ich den Film nicht einstufen. Dazu erscheinen mir die Charaktere zu eindimensional: ein paar Graustufen zwischen Schwarz und Weiß (bzw. Gut und Böse) hätten nicht geschadet. Die Japaner waren eindeutig zu böse, nur ein einziger scheint sowas wie ein Gewissen zu haben. Dagegen hatten die Heimleiterin, Rosen und Rabe irgendwie keinerlei negative Seiten. Außerdem empfand ich das Finale als ein wenig zu kitschig. Die Thematik ist natürlich interessant und wichtig, vor dem Film habe ich noch nie etwas von John Rabe gehört. Allein deshalb schon sehenswert.

7/10 Punkte
 
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