AW: Die Blinde Bestie
Beitag von Farman
Trash aus dem Land der Kino-Tabubrüche, wer will sich das entgehen lassen?
Und in der Tat, der Film war imo ziemlich, ziemlich abgründig (in psychologischer, ideologischer Hinsicht), obwohl das Anfangs noch nicht abzusehen war.
Und Kopfzerbrechen hatter mir bereitet. Da war erstmal bzw. hauptsächlich diese von dir angesprochene Sehen<=>Fühlen-Sache... Also wir sehen ja da einen Blinden... das Model sieht auch einen Blinden, doch wenn sie sieht, wie er ihre Skulptur zu Anfang des Films betatscht, fühlt sie seine Hände auf ihren Körper. Das bloße Sehen wird transzendiert, denn sie fühlt ja dabei auch, wie Hände ihren Körper betatschen, die gar nicht da sind: Ihr Ebenbild aus Stein wird ja nur angerührt. Doch ist das Sehen dieses Vorgangs eine zutiefst indiskrete, unangenehme Sache, wie auch das Sehen des Filmes eine sehr indiskrete Sache wird, manchmal berührt das Gesehene einen auf widerliche Art und Weise.
Das Model ist ja ne Pseudoemanze, die sich der Kunst wegen als "moderne" Frau nackt fotografieren lässt... In der Moderne sieht man das Gesehene analytisch, zeichenhaft, man "fühlt" es nicht wie der barbarisch triebgesteurte Blinde, sondern es ist ein Konstrukt. Dass das Model die Berührung, die bewusst körperliche Berührung verlernt hat (sogar die Massage ist hier nicht wirklich körperlich, sondern dazu da, sie wach und fit zu halten), ist der Grund, dass sie die Berührungen des Blinden (wie wir als Zuschauer) widerwärtig findet. Die "Kunst" des Blinden ist nur dazu da, seine Triebe zu befriedigen, die Kunst des Model-Fotografen soll hingegen was aussagen. Ich hatte das Gefühl, der Film zeigt die Unmöglichkeit dieser Grenze, die ja die Grenze von Vernunft und Trieb, von Zivilisation und Barbarei ist. Und der Film führt dann in diesem klaustrophobischen Psycho-Atelier von dem Einen ins Andere. Die Emanze verlernt das Sehen, bekommt einen abartigen Sadomasofetisch und wird vom sehenden, distanzierten, triebverleugnenden modernen Menschen zum -wie sie im Off sagt- fühlenden Insekt.
Und durch den Film sehen wir diese Wandlung vom Menschen zum Tier und fühlen uns irgendwie ekelhaft bei dem Ganzen. Der Film verweigert sich, nur als Konstrukt gesehen zu werden, sondern man soll das ganze auch fühlen, durch eine imo recht verstörende Mischung aus Sinnlichkeit und tierischer Barbarei.
Hey, aus nem Haufen Gedankenfetzen kann plötzlich was thesenartiges werden, wenn man erstmal anfängt zu schreiben.
Dieses bei Arte obligatorische "Der Film könnte ihre sittlichen Empfingungen verletzen" am Anfang eines Trashfilms traf auf jeden Fall zu- am Ende dachte ich schon, was ist das fürne kranke Scheiße.
Auf jeden Fall ist Arte der mit Abstand beste Sender Deutschlands und ich hoffe diese Trash-Reihe wird nie aufhören. Letztens kam mit "Carnival of Souls" imo ein Meilenstein...