Schwarz und Weiss, wie Tage und Nächte

Willy Wonka

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#02 23.09.10 Willy Wonka
 
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Schwarz und Weiss, wie Tage und Nächte



„Schach ist die Fähigkeit aus Logik Kunst zu machen.“

Schach – das königliche Spiel. Es gehört zu den komplexesten Spiele der Welt und wird vor allem in verschiedenen Kunstformen oft symbolträchtig und in metaphorischen Sinne verwendet. In dem Fernsehfilm „Schwarz und Weiss, wie Tage und Nächte“ aus dem Jahre 1978 vom Regisseur Wolfgang Petersen ist dieses Spiel der Mittelpunkt der Geschichte. Thomas Rosenmund hat einen brillanten Verstand und entwickelt einen Schachcomputer, der den amtierenden Schwachweltmeister Stefan Koruga besiegen soll, aber die Maschine scheitert. Rosenmund nimmt diese Niederlage hin, als hätte er selbst verloren und will eine Revanche gegen Koruga und dieses Mal will er selbst spielen. Zuvor werden seine beeindruckenden Schachfähigkeiten noch einmal verbessert, indem er unterrichtet von einem Schachtheoretiker annimmt, welcher dieses Spiel bis ins kleinste Detail studierte.
Der Titel des Films zielt nicht nur auf die verschiedenen Spielfarben, sondern auch auf die antagonistischen Charaktere der beiden Spieler. Der Weltmeister wirkt innerlich ruhig und ausgelassen dagegen ist Rosenmund nervlich sehr belastet und höchst gereizt beim Spiel. Die Performance des Hypernervösen wird eindrucksvoll von Bruno Ganz dargestellt. Doch wirkt sein Spiel in gewissen Akzenten zu theatralisch, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass er zu dieser Zeit sehr viel Theater spielte. Auch am Filmset soll das Verhalten von Ganz keineswegs einfach gewesen sein und Petersen kommt eigentlich mit jedem Schauspieler zurecht, auch bei seinen nachfolgenden Filmen mit zum Teil notorischen Schauspielern, aber mit Ganz soll es heftige Streitereien gegeben haben, da Ganz auch sehr arrogant auftrete.
Im Fokus des Films ist die Darstellung von Bruno Ganz und wie sein Charakter sich mit dem Schachspiel immer mehr verändert. Sein Spiel ist exzessiv und nur ein Sieg zählt für ihn. Er wird immer fanatischer, besessener und zum Schluss sogar paranoid. Der Film entstand zu einer Zeit als weltweit eine Schachbegeisterung herrschte und die Schaupartien von Bobby Fischer, Boris Spaski und Anatoli Karpow wurden sogar im Fernsehen übertragen.
Diese Begeisterung ist zu vergleichen mit den Siegeszug des Pokerspiels in den letzten Jahren. Der Film fand also sein Publikum und wurde auch von den Kritikern begeistert aufgenommen und für viele zählt dieser Film immer noch zu den besten Filmen von Petersen.

So schrieb die amerikanischen Filmzeitschrift „Variety“:

„Petersens wohl bester Film. (...) Dieser Film verdient seine Chance im Kino. Einer der besten deutschen Filme des Jahres.“

Seine Chance im Kino bekam der Film im Jahre 1981 und somit war es schon der zweite Film von Petersen, welcher für’s Fernsehen produziert worden ist und nachträglich auf die große Leinwand kam. Das Echo des Films war enorm und sehr positiv.
Doch all die Lobeshymnen kann ich mich nicht anschließen, denn der Film ist schwerfällig inszeniert und weist kaum Spannung auf. Durch mehrere kleine Zeitsprünge während der Partien will keine Dramatik entstehen. Das Spiel ist im Vordergrund, aber es gibt keine längere Einstellungen mit mehreren Zügen beider Spieler hintereinander und so werden die Partien zur Nebensache und entscheidet ist dann nur der Sieger. Durch einen Sieg oder eine Niederlage werden dann wieder neue Gefühle der Figuren hervorgerufen und stark betont. Dieser Ablauf wiederholt sich mehrmals im Film, sodass der Film und das Schachspiel für den Zuschauer uninteressant und ermüdend wird. Ich kann es mir aus heutiger Sicht auch nicht erklären, wieso hunderte Menschen einem Schachspiel über mehrere Stunden zuschauen.
Die Nebenfiguren des Films hätten mehr Tiefe bekommen sollen, denn diese wirkten blass und die Schauspieler spielen meines Erachtens manchmal laienhaft. Die Musik hätte mehr Akzente setzen müssen und Kameraperspektiven und der Schnitt bräuchten einen richtigen Rhythmus, welcher die Suspense-Momente hervorheben müsste. Vielleicht hätte auch das alles nicht geholfen, denn Schach ist für den Zuschauer nur für einen kurzen Zeitraum fesselnd und interessant und dieses hätte dann im Zweifelsfall durch eine Nebenhandlung relativiert werden müssen.
 
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