A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm

crizzero

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Kritik von Vince

A SCANNER DARKLY - DER DUNKLE SCHIRM

Ich liebte schon die Optik des PS2-Spiels "XIII" abgöttisch, da musste "A Scanner Darkly" doch reinhauen wie eine Bombe. Hat es aber leider nicht hundertprozentig. Tatsächlich würde ich sogar sagen, die Rotoskoptechnik lenkt ein bisschen zu sehr vom Stoff aus der Feder von Philip K. Dick ab - auch wenn sie durchaus ihren Sinn im Gefüge hat und nicht unbedingt selbstzweckhaft als Exot auf Zuschauergunst aus ist.
Der Stoff derweil schlägt immer mal wieder durch und zeigt anhand weniger ausgewählter Geniestreiche, was da für ein Diskurs drinsteckt - wenn Reeves' Protagonist sich etwa an seine Vergangenheit erinnert und das damalige Leben analysiert. Auch die Dialoge sind stark, regen zum Nachdenken, manchmal auch zum Schmunzeln an.
Wie schon in "Renaissance" verdeckt das Äußere des Films den Umstand, dass aktiv auf der Leinwand nur wenig geschieht, denn "A Scanner Darkly" ist in erster Linie tatsächlich Dialogfilm. Doch im Gegensatz zur Schwarzweißproduktion aus Frankreich fehlt diesmal nicht die Substanz, sie versteckt sich hinter ebenen Linien und Flächen aus Pastellfarben und im Endeffekt wird man einiges mitnehmen aus der Verfilmung.
Dennoch drängt sich die Vermutung auf, dass das Ganze als Realfilm noch besser funktioniert hätte, unter der Bedingung, dass sich ein fähiger und passender Regisseur des Stoffes angenommen hätte - ein Cronenberg vielleicht oder ein Gilliam, der das Projekt in der Vergangenheit eigentlich auch schon mal realisieren sollte.
(knapp) 7/10
 
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crizzero

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A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm

"Der dunkle Schirm"... ein Titel, der vor dem Hintergrund des Films durchaus Interpretationsspielraum lässt. Was ist der dunkle Schirm letztlich? Wird der Titel im Film überhaupt definiert? Oder ist er nur eine Metapher? Auf der Suche nach Antworten tappt man diesbezüglich lange im Dunkeln.

Und das ist so gewollt. Der Film ist eine Junkie-Studie der ganz besonderen Art. In der Zukunft sind die Hälfte aller Bürger drogenabhängig. Die Protagonisten hangeln sich von einem Trip zum nächsten, füllen ihren Tagesablauf mit absolut hirnrissigen Aktionen, Plänen, Theorien und Mutmaßungen. Wie sehr man unter starkem Drogeneinfluss auf philosophische Spinnereien abfährt, wird hier wieder mal deutlich. Das Hirn dreht halt durch, vermischt extrem konfuse Gedankengänge mit den einfachsten Dingen im Leben. Das stellt der Film absolut gekonnt dar.

Das liegt nicht zuletzt an der besonderen Optik. Die Rotoscope-Technik verleiht dem Ganzen das richtige Flair. Das Geschehen wirkt etwas surreal und verfremdet. Das passt zur Thematik des Films, in der man auch erstmal nicht durchblicken soll. Der Zuschauer soll sich Fragen stellen, die man noch nicht beantworten kann, soll rätseln, wo die Zusammenhänge liegen. Mit der Zeit lichtet sich das Wirrwarr und man scheint einen Durchblick zu bekommen, der aber wiederum gegen Ende mit etwas Hirnschmalz gehalten werden muss, um dem Werk eine Aussage zu entlocken. Der Film macht es dem Zuschauer halt nicht leicht, will sich nicht gleich offenbaren, sondern bis zum Ende in einem dunklen Schleier der Ungewissheit bleiben. Und tatsächlich, erst am Ende kann man sich eine endgültige Meinung bilden, das seichte Puzzle komplettieren und entscheiden, inwiefern der Streifen unterhaltsam oder anstrengend war. Denn - und das muss man auch in aller Deutlichkeit erwähnen - sowohl die kreative Optik, als auch die dialoglastige Story können das Filmerlebnis entweder fantastisch beflügeln oder auch unliebsam belasten.

Obwohl man sich dabei fast in einem Zeichentrick wähnt, muss man hier natürlich auch die schauspielerischen Leistungen herausstellen. Schließlich wurde lediglich die Filmfassade künstlich bearbeitet, die Schauspielerei ist aber echt. Und gelungen. Keanu Reeves, Woody Harrelson, Robert Downey Jr., Winona Ryder und der mir zuvor völlig unbekannte Rory Cochrane spielen die Protagonisten in dieser verworrenen Irrfahrt sagenhaft gut. Die träge Lässigkeit der Junkies ist absolut nachvollziehbar, die abgedrehten Gesichtsausdrücke insbesondere von Harrelson und Cochrane sind phänomenal. Gleiches gilt für den tollen Downey Jr., der herrlich schräge Theorien zum Besten gibt. Ein wirklich illustrer Kreis an Darstellern, die dem Film neben der gewöhnungsbedürftigen Optik das nötige Flair verleihen.
Die Rolle des niedergeschlagenen, ausgelaugten und grundsätzlich pessimistischen Losers liegt Reeves zudem am Besten. Seine deprimiertes Spiel ist wirklich ansehnlich. Er ist zudem Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Er kundschaftet - obwohl selbst abhängig - Drogendealer aus, arbeitet im wahrsten Sinne des Wortes undercover. Denn sein Cover ist der "Jedermann-Anzug". Eine Art Hülle, die es dem Gegenüber unmöglich macht, zu erkennen, wer sich unter dem Anzug befindet. Er flackert unaufhörlich und bildet alle möglichen menschlichen Erscheinungsformen ab. Als ermittelnder Polizist muss er sein Äußeres eben schützen und ist als "Jedermann" natürlich perfekt getarnt, damit niemand weiß, mit wem er es zu tun hat. Nichtmal die eigenen Kollegen. Klingt verwirrend, ist es auch. Muss man eben gesehen haben.

Unterm Strich ist "A Scanner Darkly" ein gelungenes Experiment, welches sich gerade im Rahmen der futuristischen Drogen-Thematik als Glücksfall erweist. So gesehen ist der Film wirklich etwas Besonderes. Wer Filme wie "Fear and Loathing in Las Vegas" und "Spun" mit Amüsement verfolgt hat, dem sei geraten, sich dem dunklen Schirm hinzugeben und abermals in die wirre Welt der Drogenabhängigen einzutauchen. Vielleicht findet man dann auch eine der Antworten auf die Fragen, die der dunkle Schirm aufwirft.

7/10
 

Despair

Filmvisionaer
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AW: A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm

Vince und crizzero haben bereits alles gesagt, und ich kann mich weitgehend anschließen: Der Film ist seltsam und anstrengend, man kann ihn lieben oder hassen - was sich noch je nach Stimmung des Konsumenten jederzeit ändern könnte. Jederzeit ändern können sich auch die Charaktere im Film, nicht zuletzt dank des Gestaltwandler-Anzugs und ausgeprägter Paranoia in den Hirnen. Robert Downey Jr. und Woody Harrelson erweisen sich (wenig überraschend ;)) als Meister des paranoiden Geschwätzes, Rory Cochrane gewinnt den Jim Carrey-Gedächtnispreis für die besten Grimassen und Keanu Reeves wirkt wie Neo, der sich zusätzlich zur roten auch noch die blaue Pille eingeworfen hat.

Ob die Story fasziniert oder auf der Stelle tritt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Denn obwohl sich die Ereignisse nicht gerade überschlagen, hatte ich viel Spaß mit den kranken Gedankengängen der Protagonisten und den wenigen, aber überraschenden Wendungen.

Der nachträglich aufgeflanschte Cel Shading-Look ist Geschmacksache. Anfangs wirkt er irritierend, aber man merkt schnell, dass das gut zu diesem Film passt.

8/10 Punkte
 
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