Vergiss mein nicht!

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Amras

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Gesamtübersicht aller Kritiken zu Vergiss mein nicht! :

#02 06.12.08 Vince
#03 07.12.08 LivingDead
 
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AW: Vergiss mein nicht!

Kritik von Vince

VERGISS MEIN NICHT
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Ich hätte es ja eigentlich nach “Being John Malkovich” und “Adaption” besser wissen sollen, ja müssen, als diese Perle aus biochemisch erzeugten neuronalen Reizen eines verliebten Menschen so lange Zeit zu ignorieren. Charlie Kaufman ist nun endgültig mein Gott der verquasten Erzählung, ein Mann, dem es in Zukunft blind zu folgen gilt.

In einer undefinierten Position irgendwo im infiniten Sternenfeld unseres Gedankenraums finden wir uns wieder, verunsichert und durch optische Tricks der Realität entzogen. Würde man diesem Erlebnis als Genre zusätzlich noch die Marke “Horror” anhaften, wäre das nicht verkehrt, denn das Irren durch die eigenen Hirnwindungen mit verzerrter Sensitivität ist hausgemachter Horror, frisch aus der Hirnrinde. Liebe, Glück und Horror verschmelzen zu einem grotesken Klumpen, als Joels Hirn gebraten wird.

Charlie Kaufman hat offensichtlich sämtliche Dimensionen in seinem Drehbuch berücksichtigt, zeitliche Ebenen wie Abstraktionsebenen. Während Joels Verstand gegen den Eingriff zu rebellieren beginnt und sich in die Vergangenheit zurückzieht, wechseln wir zwischenzeitlich auch mal auf die reale Ebene, entsteigen Joels Hirn, um die Behandlung objektiv mitzuerleben. Hier gibt es echte Probleme, Dramen auf menschlicher Basis, die Auswirkungen dessen, was wir soeben live von den besten Plätzen aus (mitten in Joels Hirn mit seinen Augen als Sichtfenstern vor uns) miterleben durften. Das Wissen nun auch, dass die Realität hier zur Metaebene ausgerufen wird, in der auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist.

Die Wissenschaft steht hier nicht unter Anklage, vielmehr wird ein Szenario entwickelt, das dem unergründlichen Wesen der Liebe einen Grund geben soll. Die Liebe soll definiert werden mit dem erfrischend biologischen Ansatz, der am Ende nicht die Erleuchtung über uns bringt. Schließlich nennt sich Michel Gondrys Werk “Eternal Sunshine of the Spotless Mind”. Das Gehirn ist nun einmal als biologische Masse nicht der Ewigkeit verbunden, aber es ist eben ein alternativer Ansatz, der sich mit Erfolg vom Einheitsbrei thematisch ähnlich gelagerter Liebesfilme emanzipiert. Genau das hängt diesem Werk das “Meister” vornean. Das ist es, was einen Charlie Kaufman ausmacht. Wie es sich schon in “Adaption” andeutete, existieren der Mut und die Fähigkeit, sich eines Gegenstandes auf hermeneutische Weise zu nähern, auch wenn dies mit den Regeln eines Filmes kollabieren muss. Und Michael Gondry, nach “Human Nature” erneut mit Kaufman beruflich verbandelt, hat das Drehbuch offenbar genauso gut verinnerlicht wie Spike Jonze und wie das Hauptdarstellergespann Carrey und Winslet. Ein notwendigerweise etwas kalter, aber großartiger Film.
9/10, schon fast mit der Tendenz zur 10.
 

LivingDead

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Vergiss mein nicht!


Wann auch immer Charlie Kaufman den Bleistift wetzt und ansetzt ein neues Drehbuch zu verfassen, so kann man sich als geneigter Zuschauer schon einmal voller Vorfreude auf ein originelles Stakkato der Absurditäten mit einem Einschlag von Genialität genüsslich zurück lehnen und den Kino- bzw. den DVD-Start voller Neugier entgegenblicken. So war er es doch, der uns in „Being John Malkovich“ in das Gehirn des Superstars blicken ließ, und auch in „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ nimmt er uns mit auf einen irrwitzigen Ausflug in die Untiefen des menschlichen Verstandes.

Jim Carrey, seinerseits als distinguierter Blödelkomiker bekannt, bewies schon im „Mondmann“, dass er auch anders kann und ebenso im Stande ist, ernstzunehmende Charakterrollen zu bewältigen. Auch in „Vergiss mein nicht!“ spielt er so tragend und ersprießlich wie selten zuvor, sodass man sich jemand anderen in dieser Rolle nur sehr schwer vorstellen könnte. Aber auch die weiteren Rollen sind mit Kate Winslet, Elijah Wood und Mark Ruffalo mehr als ansprechend besetzt.

Regisseur Michel Gondry („Human Nature“) weigert sich in seinem Werk stets eine logisch wirkende Storyline aufzubauen. Oftmals tappt man als Zuschauer im Dunkeln – Ist das Gesehene real oder nur eine weitere greifbar demonstrierte Erinnerung Barishs (Carrey), welche gleich aus seinem Hirn entwendet werden soll? In der nächsten Szene befinden wir uns plötzlich in einem anderen Raum - einer anderen Zeit. Doch Gondry schafft es auf eine erstaunliche Art und Weise der Geschichte eine innere Logik zu verpassen. Die gezeigten Erinnerungen sind in ihrer Abfolge genau den echten zeitlichen Erfahrungen aus dem realen Leben Barishs nachempfunden, wodurch die, im Vorhinein nur durch einen sehr langen Prolog angedeutete, Liebesbeziehung zwischen den beiden Protagonisten substantiell wird, ja sogar, durch den Aspekt, dass jene Erinnerung gleich gelöscht werden wird, emotionaler als in jedem anderen Film der Marke „romantische Tragikkomödie“. Michel Gondry macht es dem (Mainstream-)Publikum wahrlich nicht leicht… Auch die Musik von Jon Brion, die fortwährend eingesetzt wird, verdeutlicht das Konglomerat aus Realität und putativer Wirklichkeit mit ihren oftmals schrägen Tönen, wobei an anderen Stellen das Schöne und Endliche ausgedrückt wird, wodurch dem Film stets etwas Melancholisches anhaftet. Selten war der Einklang zwischen Musik und Bild wirkungsvoller als hier.

Vor allem zu Beginn hat der Film oftmals den Anschein eines Dogma-Streifens: Wackelkamera, das fahle Setting und auch die burleske Stimmung lassen nicht auf eine Hochglanzproduktion schließen, die immerhin knappe 30 Mio. Dollar verschlang. Und dennoch lassen sich in jeder Szene immer wieder Details erblicken, welche das ganze Spektrum unseres Verstandes gar nicht aufzufassen vermag. Jedes erneute Ansehen des Films lässt uns auch immer wieder neue Kleinigkeiten der Erinnerungen Burlishs entdecken. Ein wahres Erlebnis!

Mit einem Hauch von Genialität und der unkonventionellen, wie auch originellen Erzählweise der irrwitzigen, aber schlichtweg fantastischen Story, entpuppt sich „Vergiss mein nicht!“ als wahrer Stern am Kinohimmel.

9/10
 

crizzero

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AW: Vergiss mein nicht!

Ach ja, ich muss den Film jetzt auch bald nochmal sehen. "The Eternal Sunshine of the Spotless Mind", einer der schönsten Filmtitel aller Zeiten für einen wirklichen genialen Trip. Komischerweise musste ich gestern während "Der Vorleser" oft an Kate Winslet in ihrer damaligen Rolle denken und obwohl sie auch als Hanna Schmitz überzeugt, war diese Leistung hier ihre beste.

Bemerkenswert ist vor allem, dass ich hier wie auch LD und Vince ebenfalls 9/10 Punkte vergebe. Selten eine so klare Einstimmigkeit erlebt. :)
 

Despair

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AW: Vergiss mein nicht!

Vince und LD haben bereits alles gesagt, ich kann mich da nur anschließen. Ich kannte Michel Gondrys Künste bisher nur aus den Björk-Videos, die meist genial sind. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen. Was soll ich sagen: sie wurden erfüllt.

Die Story von Kaufman war gewohnt verwirrend, aber nicht so abgefahren wie beispielsweise "Being John Malkovich". Mit ein wenig Aufmerksamkeit kann man gut folgen.

Sämtliche Hauptdarsteller liefern eine sehr gute Vorstellung ab. Jim Carrey als introvertiertes, etwas langweiliges Gewohnheitstier; Kate Winslet als durchgeknalltes, teils hysterisch lebenslustig wirkendes Mädchen mit diversen Macken; Kirsten Dunst als naiv-dümmliche, aber sympathische Arzthelferin oder Elijah Wood als Möchtegern-Casanova - alle Rollen sind perfekt besetzt.

10/10 Punkte
 
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