Pat Garrett jagt Billy the Kid

Travis

Regie
Teammitglied
Registriert
2 Juni 2008
Beiträge
3.407
Filmkritiken
28
Gesamtübersicht aller Kritiken zu Pat Garrett jagt Billy the Kid:

#02 05.12.08 Farman
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Travis

Regie
Teammitglied
Registriert
2 Juni 2008
Beiträge
3.407
Filmkritiken
28
AW: Pat Garrett jagt Billy the Kid

Kritik von Farman

Pat Garrett jagt Billy the Kid

Sam Peckinpah zählte zu den entscheidenden Filmemachern einer Welle von Dekonstruktionswestern, die seit Anfang der Sechziger Jahre -seit Anfang von Hollywoods Weg nach unten- über das Verhältnis zwischen Mythos und der Realität der Gegenwart reflektierten, zwischen der fernen, irrationalen Legende und einer rational rekonstruierbaren Legendenwerdung eine Brücke zu schlagen versuchten. Diese Brückenbildung wurde von den meisten sogenannten Revisionisten etwas kurzsichtig und eigennützig betrieben: Der Western wurde als Genre eine Metapher gegenwärtiger Alltagspolitik zur Zeit von Nixon und Vietnam, das weite Land als mythischer Garten Eden, auf dem (nach der romantischen Legende gesprochen) die Zivilisation die Barbarei besiegte, komplett entmythisiert. Die Brücke war somit manchmal etwas kurz geraten: Die bekannten alten Cowboys sollten nur die heutigen Probleme mit sich auf ihrem Pferd tragen und Vergangenheit war wie immer eine Bespiegelung von Heute. Dekonstruktion kann man das nicht nennen, wenn es auch manchmal große Filme waren.

Peckinpah -der vier Jahre zuvor mit "The Wild Bunch" einen historischen Wendepunkt des Kinos markierte wie "Citizen Kane"- verfilmt hier die oft verfilmte Legende des jungen Wilden des Westens, Billy the Kid, der von seinem alten Freund und Ziehvater, Pat Garrett, im Dienste des Kapitalismus, dem sich Garrett verschrieben hat, aus dem Weg geräumt wird. Diese Legende wird nach Peckinpah keiner mehr anfassen, keiner mehr eigennützig ausschlachten können. Der Film ist -wie "The Wild Bunch"- ein Film über das Heute, aber ein Film über das Heute im Angesicht eines Damals, das man nicht kennt, das das Heute aber ohne Zweifel determiniert.

Zunächst muss obligatorischerweise erwähnt werden, das der Film bis heute zerstückelt ist- und dramaturgisch sehr fehlerhaft. Es gibt eine Menge Nebenrollen, die narrativ keinen Sinn machen, und ein Bob Dylan, der ziemlich schlecht spielt und unnötig ist. Beim ersten Sehen kann der Film als ganzes für Viele schlichtweg sinnlos sein. Peckinpahs ursprüngliche Version wäre vielleicht als ein Meisterwerk des letzten Jahrhunderts anerkannt worden.

Aber das ist der Film auch so.
Das Ganze ist eine Aneinanderreihung von Einzelszenen, die retrospektiv schwer einzuordnen sind, aber eine solch überwältigende filmische Schönheit besitzen, in ihrer Kombination von atemberaubender Cinematographie, dem Soundtrack von Bob Dylan (dem man dank diesem seine fehlende Schauspielkunst verzeiht) und den Leistungen von Kristofferson, Coburn sowie Nebenrollen wie Harry Dean Stanton, Jason Robards oder Slim Pickens ein so einmaliges filmisches Denkmal über die Melancholie des Todes und die schreckliche Schönheit des Sterbens erschaffen, das der Film jegliche aalglatte Revisionisten vergessen macht.
Im Gegensatz zu "The Wild Bunch" (der für mich vielleicht der großartigste Film aller Zeiten ist), ist die Brutalität des Tötens hier nicht mehr in jeder Szene da, die Rituale des Tötens haben hier etwas zärtliches, etwas todtrauriges. Slim Pickens, der von den Klängen von Dylans "knockin on heaven's door" begleitet seine letzten Atemzüge am See aushaucht, Kristofferson alias Billy, der einen alten Freund, den er soeben unfair erschossen hat, vor seiner Familie auf einer Farm in den Armen hält.

Die Landschaft des Westens ist wie in allen revisionären Western nicht mehr der Ort der individuellen Freiheit, doch hier klebt über jedem Bild eine Schicht dieses Ideals. Der Westen ist ein Gefängnis, aber ein unglaublich schönes und gerade deswegen todtrauriges. "Pat Garrett and Billy the Kid" ist der zärtlichste Film über den Tod, den es je gegeben hat.

Fazit: Das vielleicht schwierigste Werk eines der größten und schwierigsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts - wer sich darauf einlassen kann, wird es nie mehr vergessen.
 

Travis

Regie
Teammitglied
Registriert
2 Juni 2008
Beiträge
3.407
Filmkritiken
28
AW: Pat Garrett jagt Billy the Kid

Dank dir für diese herrliche Kritik. Deiner Meinung schließe ich mich völlig an, was dich wohl nicht allzu verwundern dürfte. "Pat Garrett" und "The Wild Bunch" sind meine absoluten Peckinpah-Favoriten. Wobei "The Wild Bunch" dem erstgenannten Werk nochmals deutlich überlegen ist. So intensiv wie in diesem Werk wurde niemals zuvor in einem Film gestorben und ich behaupte mal, wird es auch wohl nie wieder werden. Aber das ist natürlich Ansichtssache des Betrachters und dessen jeweilger Empfindsamkeit geschuldet. Es war jedenfalls ein richtiger Feiertag für mich, als Warner letztes Jahr diese beiden brennenden Löcher in meiner Sammlung mit zwei herrlichen SEs an einem einzigen Tag schloß. Denn genau diese desillusionierten Vetrtreter eines bis dato hoffnungslos und in die falsche Richtung glorifizierten Genres waren es, die mich mit einem Schlag vom Westernhasser zum Westernfreund machten. Aber zurück zu "Pat Garrett".
Ich weiß jetzt nicht genau welche Fassung du besprochen hast. Denn auf der SE von Warner ist ja auch die eigentlich von Peckinpah gewollte und rekonstruierte Fassung mit drauf. Natürlich ist der Film für "normale" Westernfreunde mehr als schwer konsumierbar. Aber diese Brüche waren es ja genau, die diese Zeiten so faszinierend und bis heute einmalig machten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie für damalige Kriegsfilmfreunde, welche "Die Brücke am Kwai" für das Nonplusultra auch an Unmenschlichkeit hielten, in den 70ern "Apocalypse Now" gewirkt haben muß. Genau diese Art von Umbruch markierten auch "Pat Garrett" und "Wild Bunch" für das Westerngenre der John Ford-Ära. Alles weitere was ich nunmehr noch hinzufügen könnte, wäre nur stupides Nachplappern deiner Grundaussage. Ergo, erspare ich es uns. Nur eines noch. Klar, war das "linkisch agierende Bübchen" Dylan alles andere als eine Idealbesetzung. Aber irgendwie paßte er in die Rolle dennoch rein und ich möchte ihn nicht missen. Was den Soundtrack anbelangt, jagt er mir heute noch eiskalte Schauer über den Rücken. Ich kenne wenig Filme, in denen der Soundtrack eines bekannten Musikers und der dazugehörige Film eine derart homogene und untrennbare Verbindung darstellen wie "Pat Garrett".
Da du ja von Wertungen nichts hälst, gebe ich mal meine ab. In Anbetracht der wohl undiskutablen 10/10 für "Wild Bunch" würde ich hier eine knappe 9/10 vorschlagen und denke mal, von dir keine großen Protestkundgebungen zu ernten.
 
Oben