Das Haus der Vergessen

Frankie

Leinwandlegende
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
5.457
Ort
Batcave
Filmkritiken
40
Gesamtübersicht aller Kritiken zu Das Haus der Vergessenen:

#02 02.12.08 Vince
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Frankie

Leinwandlegende
Registriert
4 Juni 2008
Beiträge
5.457
Ort
Batcave
Filmkritiken
40
AW: Das Haus der Vergessen

Kritik von Vince

DAS HAUS DER VERGESSENEN
Ausschnitte aus meiner ofdb-Kritik

Eine der vergessenen Leichen im Keller Wes Cravens, die zwar von jenen, die sie zu Gesicht bekamen, prinzipiell als sehr charmant und gut erhalten beschrieben wird, doch meines Erachtens kann sie ruhig dort vergraben bleiben, wo das Gras über sie wächst - ein herber Verlust wäre was anderes.

Das Skelett ist allerdings zugegebenermaßen schön robust und die Inhaltsangabe macht richtig was her, wird zudem noch mit allerhand Vorschusslorbeeren gekrönt insofern, als dass hier herbe Kritik am US-Mittelstand geübt werde. Niemand jedoch erwähnt dabei, wie oberflächlich und einseitig die Attacken ausfallen.
Denn die armen, armen Einbrecher sind Opfer der Willkür jener, die sich da an den Armen abstoßen wollen, um aus dem Bottich des Mittelstands zu schlüpfen und von der Oberklasse empfangen zu werden. Angefangen bei einem kleinen Jungen, der natürlich trotz der Umstände seines Aufwachsens in jedem zweiten Satz moralische Idealtypen spuckt wie ein gottverdammter Hydrant, bis zum Gipfel der Simplizität: einem gehorteten Goldschatz, dessen sich der Mob am Ende bemächtigt. Oh, du süße Gerechtigkeit.

Das wäre alles halb so wild, wenn man die Selbstironie dabei herauslesen könnte. Aber spätestens im Finale, in welchem Justitia ausgekostet wird bis zum letzten Tropfen, wird deutlich, dass sich “The People Under the Stairs” eher den vereinfachenden Erklärungsprozeduren eines Kinderfilms bedient und sein erwachsenes Horrofilmpublikum ein klein wenig für dumm verkauft. Das Resultat ist ein wenigstens bezüglich seiner angestrebten Doppelbödigkeit ziemlich naives Filmchen, das gerne ein guter Beobachter und satirischer Kommentator der sozialen Lage in amerikanischen Kleinstädten wäre, dabei aber eben maximal von der Warte eines ungebildeten Teenagers Stellung bezieht.

Auch ist der Streifen aufgrund seiner kritischen Ausrichtung voller Kompromisse, wenn man ihn denn auch als funktionierenden Horrorfilm betrachten möchte, der er nun mal in erster Linie ist. Ein schwarzer Junge spielt die Hauptrolle. Dabei sollte doch jedem ernsthaft an Horrorfilmen Interessierten das alleine die installierten Alarmglöckchen klingeln lassen: Ein forscher Bengel, der sich aufmacht, in da Neighbourhood aufzuräumen, so etwas wird die Wirkung des Horrors unweigerlich abfedern. Die Auswirkungen zeigen sich im Film, der nur wenig Gore und keinerlei Splatter zu bieten hat und nicht zuletzt durch die witzlos geschminkten und massiv enttäuschenden “People Under the Stairs” gruseltechnisch gerade mal das Niveau von “Der kleine Vampir” erreicht. Dass man zu alledem nie das Gefühl hat, dem Jungen könne irgendwas passieren, macht das bunte Treiben in dem hübschen kleinen Vorort-Häuschen zu einer ziemlich vorhersehbaren Angelegenheit. Dabei haben die Achtziger doch gezeigt, dass man mit Kindern und Protagonisten auch anders umgehen kann (“Der Blob”).

Dass Daddy mitunter im Ganzkörper-SM-Anzug mit einer Flinte durchs Haus jagt und in Luken und Röhren schießt, um einen der unseligen Gefangenen zu erwischen, ist kurios genug, um sich das Prädikat “sehenswert” einzuheimsen; die plakative “Sozialkritik” ist aber mehr als nur eine vertane Chance , nämlich im Endeffekt ein waschechter Spannungskiller für den Horrorfilmfan, der sich nicht zuletzt ob des jungen Hauptdarstellers in einem Kindergrusler wähnt. So bleibt es bei vielversprechenden Ansätzen, deren Potential allerdings ungenutzt bleibt.
4/10
 

Travis

Regie
Teammitglied
Registriert
2 Juni 2008
Beiträge
3.407
Filmkritiken
28
AW: Das Haus der Vergessen

Du hast mit deiner Kritik natürlich völlig Recht und die deutlich den Spaß mindernden Hauptfehler des Films folgerichtig und vor allem sehr treffend aufgezeigt. Die extrem naiv umgesetzte sozialkritische Komponente in allen Phasen punktgenau aufgezeigt und auch keinen der unübersehbar handwerklichen Mängel übersehen. Aber...

... haben wir es hier doch mit einem Wes Craven-Film zu tun. Wahrlich kein Meister gesellschaftskritischer Tiefsinnigkeiten. Nur so als Beispiel, "Last House on the Left" und die ersten beiden Teile von "Hills Have Eyes". Das Thema hatten wir ja schon und du weißt von was ich rede. Genau hier liegt dann auch die Ursache, weshalb der Film seinerzeit recht positiv aufgenommen wurde und die Kritiken meist wohlwollend ausfielen. Man kann sich hier tatsächlich recht gut unterhalten, wenn man bereit ist den Kopf vollständig abzuschalten und der Handlung folgt, ohne diese zu hinterfragen. Beginnt man nachzudenken, wie du es getan hast, kommt man natürlich zu den von dir gezogenen Schlüssen. Du weißt, daß gerade dieses Abschalten des Kopfes bei einem Film für mich meist ein wenig problematisch ist. Doch gerade hier hatte ich es relativ bequem geschafft und mich dann tatsächlich ganz akzeptabel unterhalten gefühlt. Das war zu der Zeit, als der Film Premiere feierte und ich ihm eine solide 6/10 attestierte. Vor etwa einem Jahr habe ich ihn mir auf DVD nochmal angesehen und mußte mich wirklich anstrengen, den Kopf erneut ausgeschaltet zu lassen. Ist mir leider nur teilweise gelungen, da der Horrorfilm im Laufe der letzten Jahre doch einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht hat. Wodurch solche Filme tatsächlich sehr antiquiert erscheinen und das Wohlwollen der damaligen Zeit für einen heutigen kritischen Betrachter nicht mehr nachvollziehbar wird. Nach rund 30 % der Laufzeit gelang es mir wieder, mich in meine damalige Gemütslage zurückzuversetzen und ab dann fühlte ich mich auf sehr sedierten Niveau wieder gut unterhalten. Beim Finale und dessen technisch/psychologischer Umsetzung mußte ich mich allerdings gewaltig zusammenreissen, meine positive Stimmung zu behalten.

So kann ich deine Bewertung absolut nachvollziehen und in ihrem Groß auch unterschreiben, gleichzeitig aber bei meinem nostalgischen Retro 6/10 bleiben. Man muß ihn halt nur noch immer mögen wollen.
 
Oben