Charlies Welt - Wirklich nichts ist wirklich

Willy Wonka

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#02 28.02.16 Willy Wonka
 
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Willy Wonka

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Charlies Welt – Wirklich nichts ist wirklich


Kaum ein Kritiker hat ein gutes Haar an Roman Coppolas bizarr überdrehtes und melancholisches Werk „A Glimpse Inside the Mind of Charles Swan III“ gelassen. Dass der Sohn von Francis Ford Coppola, Bruder von Sofia Coppola und oscarnominierte Drehbuchautor (zusammen mit Wes Anderson für „Moonrise Kingdom“) für ein derart abstrusen Film verantwortlich zeichnet, ist für viele Filmfans und Cineasten kaum zu erklären.

Bereits der Anfang des Films zeigt, dass Coppola ganz bewusst Charlie Sheen als Hauptdarsteller für seinen Film ausgewählt hat. Er möchte bewusst die Grenzen zwischen dem Filmcharakter Charles Swan III und der Person Charlie Sheen verwischen, sodass diese quasi zu einer Einheit verschmelzen können. Auf diese Weise kann der Film als eine reflexive Ballade auf den medialen und persönlichen Sturz Charlie Sheens verstanden werden. Wenn man nun nachträglich noch Charlie Sheens HIV-Infektion im Hinterkopf hat, die er bereits zu den Dreharbeiten des Films hatte, aber damals noch nicht publik war, offerieren die vielen Krankenhaussequenzen im Film eine neue Lesart und bekommen dadurch eine ähnliche Doppelbödigkeit wie einst die homosexuellen Anspielungen in Bezug auf Rock Hudson in „Bettgeflüster“.

Wie man unschwer erkennt, lassen sich einige Ebenen in diesem häufig verrissenen Film erkennen, aber macht das den Film sehenswert oder gar zum unterschätzten Meisterwerk? Keineswegs! Zwar hat Roman Coppola als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor anscheinend alle Fäden in der Hand gehabt, um seinen Film so gestalten zu können, wie es ihm beliebt, aber da ihm anscheinend keine kreativen Grenzen gesetzt worden sind, hat er sich stellenweise in seinen eigenen Ambitionen verfangen. Er versucht eine schlichte Liebeskummer-Geschichte im bierernsten (oder es handelt sich um eine äußerst verschachtelte Ironie-Ebene, die ich nicht zu entdecken vermochte?) Ton zu erzählen. Das größte Problem daran ist Charlie Sheen selbst, der, passend zu seinem Medien-Image, größtenteils im Film unsympathisch wirkt, dem man am liebsten selbst die Schuld an seiner Misere geben möchte. Auf Biegen und Brechen versucht Coppola aber Sympathien für das Schicksal von Charles Swan III und seinen Liebeskummer dem Zuschauer zu entlocken, was ihm zumindest bei mir nicht gelungen ist.

Mich ärgert vor allem das verschenkte Potenzial dieses Films. Denn hätte Roman Coppola in der Story andere Akzente gesetzt und keinen sentimentale Liebeskummer-Geschichte erzählt, könnte der Film allein durch seine Inszenierung und seinen Stil überzeugen. Die Ausstattung, die Farbauswahl und generell die Arbeit von Set-Designer Elliott Hostetter ist fantastisch. Auch die speziell für den Film geschriebenen Songs von Liam Hayes fügen sich homogen in den Film ein und bieten einen gelungenen Kontrast zu den überdrehten Fantasien und Tagträumen von Charles Swan III. Bereits bei diesen Sequenzen zeigt sich im Ansatz, welche verborgenen überbordenden kreativen Energien in Roman Coppola schlummern. Leider wurde diese überdeckt mit einer Patina von Melancholie, die nach dem Kritiker Peter Prasch, allen Vertretern einer scheinbar aussterbenden Art umweht. Gemeint ist damit natürlich der Charakter bzw. das Image von Charlie Sheen und nicht die Person Roman Coppola.
 
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