Sabotage

Willy Wonka

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Sabotage

Der Film beginnt mit einem Lexikonauschnitt mit der Definition des Wortes „Sabotage“ und kurz darauf wird der Zuschauer auch Zeuge einer Sabotage, denn in London fällt der Strom aus und mit einer kalkulierten Montage werden wir direkt mit dem Saboteur vertraut gemacht.

Im Jahre 1936 inszenierte Alfred Hitchcock nach einem Drehbuch von Charles Bennett, der bereits in den Jahren zuvor schon für die Drehbücher von „Der Mann, der zuviel wusste“, „Die 39 Stufen“ und „Geheimagent“ verantwortlich zeichnet, einen Thriller, der zum damaligen Zeitpunkt viele Zuschauer vor den Kopf gestoßen hat. Mit dem ursprünglichen Drama „The Secret Agent“ von Joseph Conrad hat der Film nicht mehr sehr viel gemein, was bei Hitchcock nicht sehr verwundert, weil ihm die literarischen Vorlagen meist nur als erste Inspiration dienten. Aufgrund des Titels vom Buch gab es in Hitchcocks Filmographie des Öfteren Missverständnisse, da Hitchcocks vorheriger Film auch „Secret Agent“ hieß, aber nichts mit dem gleichnamigen Buch zu tun hatte.

Der bereits zu Beginn vorgestellte Saboteur (Carl Verloc) führt neben seiner konspirativen Tätigkeit ein gewöhnliches Leben als Kinobesitzer mit seiner jungen Frau Sylvia und ihrem kleinen Bruder Steve. Sylvia weiß nichts über das Doppelleben ihres Mannes, aber die Polizei lässt diesen unscheinbar wirkenden Mann schon länger beschatten und während Carl Verloc den Auftrag erhält eine Bombe am Piccadilly Circus zu platzieren, versucht der Polizist über Sylvia an Informationen über ihren Mann zu kommen. Die Geschichte dient in seinem primären Zweck nur als Aufhänger für eine grandiose Inszenierung von Alfred Hitchcock, was allein schon an den fehlenden Hintergrundinformationen und Motivationen der einzelnen Figuren deutlich wird.
Dieser Film zeichnete bereits einen frühen Höhepunkt von den Raffinessen und Tricks der Regielegende und zeigt bereits schon in diesem Film, wieso Hitchcock später als der „Master of Suspense“ in die Annalen der Filmgeschichte eingehen wird. Ohne zu viel zu verraten sei gesagt, dass zum ersten Mal der klassische Suspense in einem großen Maße Verwendung findet und in der berühmtesten Szene des Films manipuliert Alfred Hitchcock den Zuschauer so sehr, dass wir selbst die Lust und den Drang zu töten verspüren werden.

Obwohl Regisseur Alfred Hitchcock im Nachhinein mit sehr vielen Dingen unzufrieden war und vielleicht einen Schritt zu weit gegangen ist, was bei der Veröffentlichung des Films zum Skandal führte und er damals wie heute über die Auswahl der Schauspieler unglücklich ist, hat mich der Film aufgrund der großartigen Inszenierung, der perfekten Montage, spannender Suspense-Momenten und einen gewagten Drehbuchwende außerordentlich gut gefallen.
 

Tarantino1980

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Eine sehr schöne Kritik Willy die mir nun richtig Laune macht den Film anzusehen! Es gibt definitiv noch zuviele ungesehene Hitchcocks bei mir in der Sammlung, aber dank Deiner Kritik ist der jetzt etwas weiter nach oben gerutscht :hoch:
 

Willy Wonka

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Eine sehr schöne Kritik Willy die mir nun richtig Laune macht den Film anzusehen! Es gibt definitiv noch zuviele ungesehene Hitchcocks bei mir in der Sammlung, aber dank Deiner Kritik ist der jetzt etwas weiter nach oben gerutscht :hoch:

Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass er dir gefallen wird, weil nicht jeder von seinen führen Filme uneingeschränkt empfehlenswert ist. In meiner chronologischen Reihenfolge war es übrigens der 20. Film von Alfred Hitchcock, den ich gesehen habe. Von neueren Filme kenne ich beinahe alles und demnach habe ich jetzt, wenn ich mich verzählt habe, nur noch neun Filme von ihm, die ich noch nie gesehen habe.
 

Tarantino1980

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Ohne zu viel zu verraten sei gesagt, dass zum ersten Mal der klassische Suspense in einem großen Maße Verwendung findet.

Ich nehme an Du spielst hier auf den Teil an wo Steve mit dem Paket auf dem Weg zum Piccadilly Circus ist und er zunächst von dem "Marktschreier" aufgehalten wird, später von der Parade und dann verbotener Weise mit dem Bus fährt? Diese Passage fand ich jedenfalls grandios!

...und in der berühmtesten Szene des Films manipuliert Alfred Hitchcock den Zuschauer so sehr, dass wir selbst die Lust und den Drang zu töten verspüren werden.

Spielst Du hier auf die Essens Szene zwischen Mrs. Verloc und Ihrem Mann an? Wenn ja das empfand ich auch als ganz großes Kino!

Obwohl Regisseur Alfred Hitchcock im Nachhinein mit sehr vielen Dingen unzufrieden war und vielleicht einen Schritt zu weit gegangen ist, was bei der Veröffentlichung des Films zum Skandal führte

Ich kann mir nur vorstellen wie der Film 1936 auf das Publikum gewirkt haben muss. Ein Kind wird bei einem Bombenanschlag getötet, eine Frau tötet einen Mann und zuvor flirtet diese besagte verheiratete Frau mit einem Mann der nicht ihr Ehemann ist. Aus heutiger Sicht kaum noch eine große Sache, aber damals waren das bestimmt skandalträchtige Themen!

...und er damals wie heute über die Auswahl der Schauspieler unglücklich ist

Interessant zu hören den ich empfand z.B Sylvia Sydney, John Loder und Oskar Homolka wirklich gut! Sie haben ihre Rollen gut gespielt und Sylvia Sydney empfand ich sogar als Traumbesetzung, sie hat ihre Rolle wirklich sehr gut gespielt und sah dazu noch richtig schön aus!

...hat mich der Film aufgrund der großartigen Inszenierung, der perfekten Montage, spannender Suspense-Momenten und einen gewagten Drehbuchwende außerordentlich gut gefallen.

Dem kann ich mich nur anschließen. Ein wirklich sehr guter Hitchcock der mich auch heute noch fazinieren und überzeugen konnte!

Wertung: 8.5/10
 

Willy Wonka

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Ich nehme an Du spielst hier auf den Teil an wo Steve mit dem Paket auf dem Weg zum Piccadilly Circus ist und er zunächst von dem "Marktschreier" aufgehalten wird, später von der Parade und dann verbotener Weise mit dem Bus fährt? Diese Passage fand ich jedenfalls grandios!

Genau die Szene meinte ich, denn das ist wirklich der klassische Suspense, welchen Hitchcock immer ausführlich erläutert und diese Szene ist ein sehr gutes Beispiel. Der Zuschauer weiß mehr über die Situation als die Charaktere und am liebsten würde er in das Geschehen eingreifen wollen.

Spielst Du hier auf die Essens Szene zwischen Mrs. Verloc und Ihrem Mann an? Wenn ja das empfand ich auch als ganz großes Kino!

Das war für mich die beeindruckendste Sequenz im gesamten Film. Das Zusammenspiel der Schauspieler und die perfekte Montage macht diese Szene einfach legendär.

Ich kann mir nur vorstellen wie der Film 1936 auf das Publikum gewirkt haben muss. Ein Kind wird bei einem Bombenanschlag getötet, eine Frau tötet einen Mann und zuvor flirtet diese besagte verheiratete Frau mit einem Mann der nicht ihr Ehemann ist. Aus heutiger Sicht kaum noch eine große Sache, aber damals waren das bestimmt skandalträchtige Themen!

Auch heute ist das noch eine ganz große Sache und ich kenne kaum Filme, wo ein Kind so sympathisch exponiert wird und es kurz darauf beinahe emotionslos getötet wird. Das ist ziemlich harter Tobak und findet heute eigentlich nur noch in skandalträchtigen Filmen Verwendung und nicht in atmosphärischen Thrillern. Hitchcock sah es in späteren Jahren als einen großen Nachteil des Films an und schämte sich beinahe dafür, dass er das Publikum so hintergehe.
 
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