Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

Tarantino1980

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Night Train - Der letzte Zug in die Nacht


Die Studentinnen Lisa und Margaret aus München wollen über die Weihnachtstage die Eltern von Lisa in Italien besuchen. Die Zugfahrt wird auf Grund einer Bombendrohung unterbrochen und die Beiden entscheiden sich kurzerhand nicht auf die Durchsuchung der örtlichen Behörden zu warten, sondern einen anderen Zug zu nehmen.

Regisseur Aldo Lado, bekannt durch Malastrana und The Child, schuff 1975 diesen Film und wagte sich damit in ein für ihn persönlich neues Terrain. Nachdem er nach seinen beiden Gialli-Beiträgen drei Filme aus dem Bereich Liebe/Drama/Komödie inszenierte, kann ich mir vorstellen, dass alleine aus diesem Grund die wenigsten von Aldo Lado damals solch einen Film erwartet hätten. L´ Ultimo Treno della Notte aka Night Train Murders aka Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien ist alles andere als eine seichte Komödie oder ein Drama, allerdings auch kein Gialli. Ich würde ihn aus heutiger Sicht eher als Beitrag im Genre des Terrorkinos sehen, wobei dies vielleicht auch eine andere Erwartungshaltung schüren könnte, da der Gore Faktor, im Vergleich zu neueren Produktionen, natürlich deutlich geringer ausfällt. Jedoch das Kopfkino und die stellenweise sehr beklemmende und reale Atmosphäre, machen ihn für mich definitiv zu einem Vertreter dieses Genres. Am ehesten würde ich den Film mit The Last House on the Left von Wes Craven vergleichen. Allerdings haben beide Filme nur eine ähnliche Wirkung auf mich ausgeübt. Inszenatorisch muss ich sagen hat hier Aldo Lado die Nase weit vorne, aber das ist natürlich Geschmacksache. Er hat eine Form der Inszenierung gewählt, welche ich persönlich sehr mag. Zu Anfang fühlt man sich in einem komplett anderen Film. Schleichend zieht der Film einen in seine Abgründe und ohne große Vorankündigung befindet man sich mittendrin in den tiefsten Abgründen der Gesellschaft.

Zu dieser Phase des Filmes setzte auch der sehr prägnante Score von Ennio Morricone, zumindestens nach meiner Wahrnehmung, das erste Mal deutlich hörbar ein. Spätestens hier befindet sich der Zuschauer in einem ganz anderem Film als noch zu Anfang vermutet. Zugegeben, da ich mich mit dem italienischen Genre Kino intensiver beschäftige, wusste ich natürlich, ohne den Film zu kennen bzw. die Story vorab gekannt zu haben, dass es sich bei diesem Film um keine seichte Liebeskomödie handelt. Jemand unbedarftes jedoch, so meine Vermutung, würde zu Anfang des Filmes, vorrausgesetzt er würde weder den Klappentext zum Film noch den Filmtitel kennen, zunächst einmal dieses Genre vermuten und plötzlich merken, das er/sie im falschen Film sitzt. Alleine aus diesem Grund finde ich es aus Lado´s Filmographie herraus sehr interessant, dass er L´ Ultimo Treno della Notte nicht direkt nach Malastrana und The Child drehte, sondern erst drei andere Filme aus anderen Genres, zu denen der Anfang des Filmes perfekt passt, drehte. Vieleicht hatte er bereits vorher die Story zu L´ Ultimo Treno della Notte geschrieben, wollte jedoch, bevor er sie verfilmt, erst noch etwas Erfahrungen in diesen Genres sammeln, da seine beiden ersten Spielfilme beides Gialli waren und somit kaum Berührungspunkte mit diesem Anfang der Story aufwiesen und er somit nach den drei vorangegangen Filmen, nun genau den Anfang zu L´ Ultimo Treno della Notte so verfilmen konnte, wie er eventuell bereits vorher fertig in seinen Gedanken aussah. Es kann natürlich auch nur ein Zufall sein, jedoch wirkt die erste Hälfte des Filmes nicht wie ein Fremdkörper oder ein notwendiges Übel um die eigentliche Handlung des Filmes zu zeigen, sondern vielmehr wie ein perfekter und vorallem absolut gewollter Weg den Zuschauer nicht nur in Sicherheit zu wiegen, sondern auch absolut zu schocken! Aldo Lado verbindet mit diesen unterschiedlichen Stilen gekonnt die verschieden Handlungen, was meiner Meinung nach auch stellvertretend bzw. sinnbildlich für die verschiedenen Gesellschaftsschichten stehen könnte.

Der Film hat sogar Berührungspunkte mit dem Schaffen von Giallo Regisseur Dario Argento. Drei der Hauptdarsteller spielten nachher/bzw. im selben Jahr dieser Produktion in drei verschiedenen Dario Argento Filmen mit. Macha Méril (Profondo Rosso - 1975), Flavio Bucci (Suspiria -1977) und Irene Miracle (Horror Infernal - 1980). Zugegeben es könnte sich hierbei auch nur um einen Zufall handeln, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass diese drei Darsteller Dario Argento in genau diesem Film aufgefallen sind und er sie umbedingt für seine Projekte gewinnen wollte. Auch wenn der Cast wahrscheinlich nur Genre-Liebhabern etwas sagt, haben mich alle Darsteller absolut überzeugt. Jeder hat seine Rolle perfekt und sehr glaubhaft gespielt.

Ohne zuviel von der Handlung zu offenbaren sei gesagt, dass Aldo Lado hier wirklich ein Meisterwerk gelungen ist, welches gekonnt nicht nur die Abgründe der Gesellschaft aufzeigt, sondern auch zeigt wie fließend die Moral der Menschheit stellenweise ist. Es gibt Szenen welche sich definitiv in mein Filmgedächtnis eingebrannt haben. L´ Ultimo Treno della Notte ist von der Inszenierung her ein wirklich spannender aber auch sehr verstörender Film, welcher mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack ist. Fans von Aldo Lado sollten sich diesen Film auf keinen Fall entgehen lassen, auch wenn man keinen Film wie Malastrana oder The Child erwarten darf. Von der Art der Inszenierung spürt man die Handschrift von Aldo Lado sehr deutlich, jedoch ist er dennoch sehr anders. Aber auch Freunde des italienischen Genre Kinos mit einem Hang zum Terrorkino sollten einen Blick riskieren.

Wertung: 10/10
 
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Tarantino1980

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AW: Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

Ich hoffe wirklich sehr das einige hier diesen Film kennen oder tatsächlich einmal einen Blick riskieren. Ich hatte mir Anfang diesen Jahres dieses schöne Mediabook zugelegt und habe den Kauf absolut nicht bereut. Das Bild ist wirklich super! Das ist meiner Meinung nach die erste VÖ zu diesem Film die nicht nur offiziell ist, alle anderen waren Bootlegs, sondern man merkt auch das sich hier viel Mühe bei der Restauration gegeben wurde. Bild und Ton sind absolut top!
 

Russel Faraday

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AW: Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

unglaublich, daß der film bei dir ein 10er ist.

ich hab ihn vor ein paar monaten auf der UK-DVD gesichtet und war maßlos enttäuscht. quälende langeweile, grottenschlechte darsteller und ein finaler rache-amoklauf, der mal sowas von gar nicht zum auftakt und mittelteil des films passt, so daß man fast meinen möge, er stammt aus einem anderen werk.

nee, für mich ein grandioser totalausfall.

aber zwei gute dinge hatte er:
1. er war teil eines 3er sets, das ich schnell gewinnbringend wieder verkloppen konnte.
2. einer der filme im set war "Torso", den ich so super fand, daß ich aus dem erlös o.g. verkloppens die BD von "Torso" käuflich erwerben konnte.

aber so sindse halt, die geschmäcker.
 

Tarantino1980

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AW: Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

unglaublich, daß der film bei dir ein 10er ist.

ich hab ihn vor ein paar monaten auf der UK-DVD gesichtet und war maßlos enttäuscht.

Unglaublich das Du ihn so schlecht findest ;). Aber wie Du selber sagst...

aber so sindse halt, die geschmäcker.

... sind Geschmäcker zum Glück verschieden und das macht das ganze auch immer wieder aufs neue interessant!

quälende langeweile, grottenschlechte darsteller und ein finaler rache-amoklauf, der mal sowas von gar nicht zum auftakt und mittelteil des films passt, so daß man fast meinen möge, er stammt aus einem anderen werk.

Wirklich sehr interessant das Du das so siehst. Hätte gerade bei Dir erwartet das Dir der Film eventuell auch gefallen könnte. Ich fand den Film zu keinem Zeitpunkt langweilig. Gerade diese Sprünge in der Inszenierung haben mir sehr gut gefallen. Hätte ich nicht gewusst das es ein italienischer Film ist, hätte ich zu Anfang gedacht das es sich um einen deutschen Film handelt. Nicht nur wegen der Schauplätze ;), sondern auch von der Art der Inszenierung her. Einziger Kritikpunkt waren dort die miesen Toneffekte als die beiden den Weihnachtsmann bestohlen und vermöbelt haben, das erinnerte mich eher an einen Bud Spencer & Terrence Hill Film und passte garnicht. Aber ansonsten war der Film für mich wirklich eine Offenbarung was das Thema moralische Werte und Charakterstudien angeht.

Nehmen wir z.B. diesen älteren Herrn der zu Anfang tagsüber, fast schon angewiedert, das offenherzige Angebot der drallen Blondine ablehnte und so tat, als ob er der perfekte Biederman sei der sowas im Leben nicht machen würde. Und dann nachts, unter dem Deckmantel der Dunkelheit und der Anonymität, getreu dem Motto "Es erkennt mich eh keiner und niemand sieht es" schaut er dem Treiben im Zugabteil nicht nur zu, sondern macht munter mit und verschwindet danach wortlos und offenbar ohne Reue!

Oder bedenke mal den Charakter von Macha Méril die zu Anfang auch sehr konservativ rüberkommt und dann im weiteren Verlauf nicht nur freiwillig bei dem Sex auf der Toilette mit dem einen der beiden Kerle mitmacht sondern später, Nachts in dem Zugabteil, sogar die Fäden zieht und die beiden Kerle wie Marionetten nach ihren perversen Neigungen tanzen lässt und somit zwar keine körperliche Gewalt ausübt, aber im Grunde noch etwas viel schlimmeres macht. Sie hat beide Seiten für ihre Zwecke manipuliert. Die beiden Mädchen zu Anfang, in dem sie ihnen sugerierte sie bräuchten nichts zu befürchten von den beiden Kerlen, welche sie wiederum für ihre "Spielchen" mißbrauchte. Getoppt wird das Ganze sogar nochmal im Finale, als sie den Eltern des ermordeten Mädchens vorgaukelte sie wäre auch nur ein Opfer der Beiden. Und ich behaupte einmal das ohne sie die ganze Situation in dem Zugabteil niemals so eskaliert wäre.

Und zu der Inszenierung von Aldo Lado haben wir wohl sehr unterschiedliche Meinungen, was ja nicht schlimm ist, weil ich mir natürlich bewusst bin das solche Filme absolute Geschmacksache sind. Entweder man liebt sie oder man hasst sie, genauso wie bei den Gialli. Ich glaube ein Mittelding gibt es in diesen Genres nicht. ;)
 
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Russel Faraday

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AW: Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

tja, ich kann auch nicht sagen, woran's liegt. bin dem europäischen (speziell italienischen und französischen) kino der 1970er alles andere als abgeneigt, aber "Night Train" zündete bei mir absolut null, war nach sichtung regelrecht verärgert.

aber das muß an mir liegen, "Amer" z.b. war ein absoluter volltrefferkandidat und ließ mich ähnlich enttäuscht zurück.
 

deadlyfriend

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AW: Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

Auch wenn er thematisch nicht zwingend ein "must have" war, wusste ich das ich bei Aldo Lado wohl nicht viel verkehrt machen kann. Werde ich mir also demnächst irgendwann einverleiben. Deine Rezension liest sich in jedem Fall bärenstark. :hoch:
 

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AW: Night Train - Der letzte Zug in die Nacht

Auch wenn er thematisch nicht zwingend ein "must have" war, wusste ich das ich bei Aldo Lado wohl nicht viel verkehrt machen kann. Werde ich mir also demnächst irgendwann einverleiben. Deine Rezension liest sich in jedem Fall bärenstark. :hoch:

Demnächst war dann also 7 Jahre und auch noch purer Zufall :nice:

Mal die ganzen positiven Dinge zuerst:

Direkt der Beginn war für mich persönlich ein Hammer. Das lag an der Ausgangsposition in München. Ich kannte jeden Fleck und konnte sogar erahnen wo sich ungefähr die Kamera befand. Da dies aber das München von 1975 war, war es nochmal spaßiger. Im Grunde haben sich nur kleine Details verändert und es sind andere Geschäfte an manchen Stellen. Das war echt merkwürdig aber total super. Genauso wie auch alle Szenen am Hauptbahnhof.
Apropos Hauptbahnhof: Die Detailgetreue gefiel mir am Film ebenfalls. Besipeilsweise das er auf deutscher Seite noch die Baureihe 103 der Bundesbahn filmte, die eben damals als Fernzug eingesetzt wurde. Bei den Bildern nach dem Übergang wechselte Lado ebenfalls den Zug. Das war ausgesprochen gut und freute mich.

Die Dramaturgie war ebenfalls absolut klasse. Der langsame Beginn und der Aufbau, die Wechsel der verschiedenen Szenerien (Mädchen und Eltern), sowie die Charakterzeichnung der einzelnen Protagonisten. Ebenfalls viele Sätze die vor den Taten gesagt wurden, hatten etwas Zynisches, wenn man an den späteren Kontext denkt. ("Sie werden auf der Reise bestimmt viel Spaß haben" oder "Das werden unvergessliche Weihnachten")
Die Mädels selbst waren sehr symphatisch und Aldo Lado hat dies mit Sicherheit auch so beabsichtigt. Was ich wirklich klasse fand, war die Zeichnung des Bösen. Nicht einfach nur Assis, denen man sowieso nichts anderes zutrauen würde, sondern ebenfalls die elegenate Dame und der feine Herr. In jeder Bevölkerungsschicht gibt es Arschlöcher. Das sind in jedem Fall eine Menge positiver Punkte. Auch die Verschmelzung der gespielten Mundharmonika mit der Filmmusik war klasse.
Der Inszenierungsstil von Aldo Lado sowieso!

Kommen wir zu den negativen Punkten: Die einzige Szene die mich tatsächlich gestört hat, war die Veröffentlichung der Namen der Opfer im Radio, bevor die Polizei die Eltern informiert hat. Das hätte er einfach besser lösen müssen, da er vorher doch so detailverliebt war.
Rein filmtechnisch kann ich sonst keine negativen Punkte finden. Der Rest liegt bei mir halt am Genre. Ich finde einfach, das es für mich nicht viel zu bieten hat. Ich mag es einfach nicht, wenn man 30 Minuten am Leid teilhaben darf. Ich weiß natürlich wozu es nötig ist, aber es spricht mich einfach nicht an. Ohne das, funktioniert eben die Rache nicht richtig. Da eben von beiden Parts das Ende bekannt ist, bevor es startet, ist das für mich irgendwie schwierig. Klar in anderen Genres ist das auch der Fall aber da wechselt die Szenerie und auch der Weg dorthin. Der absolute Clou war aber die feine Dame ins Spiel zu bringen, was absolut überraschend war.

Aber ich bin kein Experete in dem Bereich. Nach "Last house on the left" und dem alten "Ich spuck auf dein Grab", war das wahrscheinlich erst der dritte Film aus diesem Bereich und dafür ist er DEUTLICH am Besten. Die anderen beiden Filme, gingen mir einfach nur auf die Nüsse.
 

Tarantino1980

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Demnächst war dann also 7 Jahre und auch noch purer Zufall :nice:

Freut mich das Du Ihn gesichtet hast und Dich hier zu Wort meldest. War es Deine Erstsichtung oder hattest Du ihn damals zu VHS Zeiten in irgendeiner Cut Fassung schonmal gesehen?

Direkt der Beginn war für mich persönlich ein Hammer. Das lag an der Ausgangsposition in München. Ich kannte jeden Fleck und konnte sogar erahnen wo sich ungefähr die Kamera befand. Da dies aber das München von 1975 war, war es nochmal spaßiger. Im Grunde haben sich nur kleine Details verändert und es sind andere Geschäfte an manchen Stellen.

Das kann ich mir sehr gut vorstellen das dieser Aspekt, wenn man selber die Ecke persönlich kennt aus dieser Zeitepoche, natürlich nochmal ein intensiveres Filmerlebnis verschafft!


Die Dramaturgie war ebenfalls absolut klasse. Der langsame Beginn und der Aufbau, die Wechsel der verschiedenen Szenerien (Mädchen und Eltern), sowie die Charakterzeichnung der einzelnen Protagonisten. Ebenfalls viele Sätze die vor den Taten gesagt wurden, hatten etwas Zynisches, wenn man an den späteren Kontext denkt. ("Sie werden auf der Reise bestimmt viel Spaß haben" oder "Das werden unvergessliche Weihnachten")

Ich glaube es ist einer der extremsten Filme die ich kenne in Bezug auf drastische Wendungen und extreme Kontraste zwischen erster Hälfte und zweiter Hälfte des Filmes. Ich hatte diesbezüglich ja auch ein paar Vermutungen meinerseits geschrieben. Daher würde es mich mal interessieren wie da Deine Sichtweise bzw. Theorie dazu ist. Ich meine hier besonders diesen Aspekt aus meiner Kritik:

Tarantino1980 schrieb:
Zu dieser Phase des Filmes setzte auch der sehr prägnante Score von Ennio Morricone, zumindestens nach meiner Wahrnehmung, das erste Mal deutlich hörbar ein. Spätestens hier befindet sich der Zuschauer in einem ganz anderem Film als noch zu Anfang vermutet. Zugegeben, da ich mich mit dem italienischen Genre Kino intensiver beschäftige, wusste ich natürlich, ohne den Film zu kennen bzw. die Story vorab gekannt zu haben, dass es sich bei diesem Film um keine seichte Liebeskomödie handelt. Jemand unbedarftes jedoch, so meine Vermutung, würde zu Anfang des Filmes, vorrausgesetzt er würde weder den Klappentext zum Film noch den Filmtitel kennen, zunächst einmal dieses Genre vermuten und plötzlich merken, das er/sie im falschen Film sitzt. Alleine aus diesem Grund finde ich es aus Lado´s Filmographie herraus sehr interessant, dass er L´ Ultimo Treno della Notte nicht direkt nach Malastrana und The Child drehte, sondern erst drei andere Filme aus anderen Genres, zu denen der Anfang des Filmes perfekt passt, drehte. Vieleicht hatte er bereits vorher die Story zu L´ Ultimo Treno della Notte geschrieben, wollte jedoch, bevor er sie verfilmt, erst noch etwas Erfahrungen in diesen Genres sammeln, da seine beiden ersten Spielfilme beides Gialli waren und somit kaum Berührungspunkte mit diesem Anfang der Story aufwiesen und er somit nach den drei vorangegangen Filmen, nun genau den Anfang zu L´ Ultimo Treno della Notte so verfilmen konnte, wie er eventuell bereits vorher fertig in seinen Gedanken aussah. Es kann natürlich auch nur ein Zufall sein, jedoch wirkt die erste Hälfte des Filmes nicht wie ein Fremdkörper oder ein notwendiges Übel um die eigentliche Handlung des Filmes zu zeigen, sondern vielmehr wie ein perfekter und vorallem absolut gewollter Weg den Zuschauer nicht nur in Sicherheit zu wiegen, sondern auch absolut zu schocken! Aldo Lado verbindet mit diesen unterschiedlichen Stilen gekonnt die verschieden Handlungen, was meiner Meinung nach auch stellvertretend bzw. sinnbildlich für die verschiedenen Gesellschaftsschichten stehen könnte.

Es kann natürlich ein dummer Zufall sein, aber es ist schon sehr auffällig das Aldo Lado zuerst als Erstlingswerke zwei Gialli dreht (Malastrana und The Child), dann erstmal drei Filme aus einem komplett anderem Genre dreht und dann direkt danach so einen Film wie Night Train zu drehen. Meine Theorie ist hier eben, das ihm die Idee zu Night Train schon damals kam bzw. er vielleicht auch schon eine sehr konkrete Vorstellung hatte was für einen Film er drehen will, aber er für die perfekte Inszenierung der ersten Hälfte, die ja wirklich komplett anders ist als die zweite Hälfte, noch die Erfahrung fehlte und er daher erst drei Filme aus diesem Genre Zeit brauchte um somit den perfekten Anfang für Night Train inszenieren zu können. Den das ist wirklich und das ist mein voller Ernst ohne Fanbrille mein voller ernst, die erste Hälfte des Filmes ist im Genre des Terror/Rape and Revange Genres an Novum. Der Film fühlt sich hier komplett anders an, man denkt man bekäme eine Komödie bzw. Familiendrama zu sehen und die Inszenierung braucht sich da auch nicht zu verstecken. Wäre der Film die ganze Laufzeit über so weiter gedreht worden, wäre er auch genial geworden und hätte damit auch eine ganz andere Fangemeinde angesprochen. Und das hatte ich ja damals auch schon geschrieben, wenn ich vorher über diesen Film noch nichts gewusst hätte, ich nicht gewusst hätte das Aldo Lado auch andere Filme gedreht hat bevor er La Cosa buffa, Sepolta viva und La Cugina und er mir nur durch diese drei Filme bekannt gewesen wäre, was das für ein heftiger Stilbruch gewesen wäre und was für ein "WTF-Moment" Gerade damals, wo es noch kein Internet gab und man somit keine Möglichkeit hatte sich genauer über sowas zu informieren. Ich kann mir daher sehr gut vorstellen wieviele Kinozuschauer regelrecht geschockt waren die sich zuvor die drei Filme im Kino von ihm angesehen habe und dann ganz unbedarft in Night Train gegangen sind so unter dem Motto "Gehen wir mal in den neuen Aldo Lado Film und man bekommt dann sowas zu sehen. Für mich vergleichbar mit wenn ich die Filme von Woody Allen kenne und mag und schaue mir seinen nächsten Film an und in der Mitte des Filmes tauchen da aufeinmal Zombies auf und nicht nur als "Comedy Element" sonder als ernstzunehmender Beitrag im Genre a la Geroge A. Romero. Ich wäre mehr als verwundert. Wie gesagt rückwirkend betrachtet wusste ich ja um was für eine Art Film es ist und der reißerische deutsche Titel spoilert natürlich auch sehr, aber aus italienischer Sicht ist der originale Titel L´ Ultimo Treno della Notte (Der Letzte Zug in der Nacht) auch absolut Harmlos und somit unverfänglich. Der Filmtitel lässt in keinster Weise auf einen Rape and Revange Film schließen!




Die Mädels selbst waren sehr symphatisch und Aldo Lado hat dies mit Sicherheit auch so beabsichtigt. Was ich wirklich klasse fand, war die Zeichnung des Bösen. Nicht einfach nur Assis, denen man sowieso nichts anderes zutrauen würde, sondern ebenfalls die elegenate Dame und der feine Herr. In jeder Bevölkerungsschicht gibt es Arschlöcher.

Auch ein sehr wichtiger Punkt was den Film ausmacht! Zum einen das es Lado geschafft hat uns die beiden Protagonistinen in der ersten Hälfte des Filmes absolut symphatisch wirken zu lassen, also man sie in keinster Weise als "Luder" abstempelt und dann eben die von Dir angesprochene Zeichnung des Bösen. Einfach perfekt!

Aber ich bin kein Experete in dem Bereich. Nach "Last house on the left" und dem alten "Ich spuck auf dein Grab", war das wahrscheinlich erst der dritte Film aus diesem Bereich und dafür ist er DEUTLICH am Besten. Die anderen beiden Filme, gingen mir einfach nur auf die Nüsse.

Ich bin auch kein Experte in diesem Genre und es gibt auch nicht viele Filme die ich kenne bzw. richtig mag. Aber Aldo Lado´s Beitrag ist hier für mich einfach meisterlich und unerrreicht!
 

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Freut mich das Du Ihn gesichtet hast und Dich hier zu Wort meldest. War es Deine Erstsichtung oder hattest Du ihn damals zu VHS Zeiten in irgendeiner Cut Fassung schonmal gesehen?

Nein, es war tatsächlich meine Erstsichtung.

Es kann natürlich ein dummer Zufall sein, aber es ist schon sehr auffällig das Aldo Lado zuerst als Erstlingswerke zwei Gialli dreht (Malastrana und The Child), dann erstmal drei Filme aus einem komplett anderem Genre dreht und dann direkt danach so einen Film wie Night Train zu drehen. Meine Theorie ist hier eben, das ihm die Idee zu Night Train schon damals kam bzw. er vielleicht auch schon eine sehr konkrete Vorstellung hatte was für einen Film er drehen will, aber er für die perfekte Inszenierung der ersten Hälfte, die ja wirklich komplett anders ist als die zweite Hälfte, noch die Erfahrung fehlte und er daher erst drei Filme aus diesem Genre Zeit brauchte um somit den perfekten Anfang für Night Train inszenieren zu können.

Ich habe mir heute auch noch das komplette Interview mit Aldo Lado auf der Bonus Disc angesehen und er widerspricht Dir :)
Seine erste Komödie drehte er, weil er die Möglichkeit hatte weiter in Venedig zu drehen, da dies quasi seine Heimat ist. Die Idee zu "Nachtzug" kam ihm wirklich erst 1975. Sein Produzent schlug ihm vor irgendwas mit Gewalt zu drehen, da dies gerade sehr erfolgversprechend war. Also dachte er sich dieses Dehbuch aus. Laut seinen Angaben hat er davor weder "Last house" noch "Die Jungfrauenquelle" gesehen. "Last house" hätte er erst ein paar Jahre nach seinem Film angesehen, da er immer wieder auf die Ähnlichkeit in der Positionierung angesprochen wurde. Die "feine Dame" entwickelte er tatsächlich erst richtig im Gespräch mit Macha Méril. Die Rolle war vorher viel kleiner aber als er die Chance hatte mit ihr zu drehen, hat er sie komplett aus und umgebaut.
Lustig war auch die Anekdote, das sie ohne Drehgenehmigung den Anfang in München drehten. Bei der Verfolgung des Polizisten, schritten 4 Leute ein und warfen die beiden Flüchtigen zu Boden :lol: Sie klärten das schnell auf, das es ein Film ist und drehten die Szene nochmal. Er hatte aber auch noch viele andere schöne Geschichten rund um den Film zu erzählen.

Auch ein sehr wichtiger Punkt was den Film ausmacht! Zum einen das es Lado geschafft hat uns die beiden Protagonistinen in der ersten Hälfte des Filmes absolut symphatisch wirken zu lassen, also man sie in keinster Weise als "Luder" abstempelt und dann eben die von Dir angesprochene Zeichnung des Bösen. Einfach perfekt!
Mir gefiel auch der Schleier von Macha Méril. So als ob sie etwas verbirgt. Ihr wahres Ich zeigt sie erst, wenn sie den Schleier weglässt. Am Ende zieht sie ihn dann wieder ins Gesicht. Das fand ich großartig. Insgesamt ist der Film deutlich subtiler und schafft wirklich Charaktere mit 2 Seiten. Auch Manipulation und Vorurteile sind hier gut in den Film eingewoben worden. Nach etwas Abstand und einigen Informationen mehr, bewerte ich ihn inzwischen auch noch etwas höher. Der ist schon ein anderes Kaliber als wohl einige seiner Artverwandten. Gerade im Vergleich zu dem hirnlosen und plakativen "Ich spuck auf dein Grab".



Ich bin auch kein Experte in diesem Genre und es gibt auch nicht viele Filme die ich kenne bzw. richtig mag. Aber Aldo Lado´s Beitrag ist hier für mich einfach meisterlich und unerrreicht!

Ja, viel weiter werde ich mich im Terrain wohl nicht vorwagen. Ich denke die Speerspitze habe ich heute gesehen.
 

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Ich habe mir heute auch noch das komplette Interview mit Aldo Lado auf der Bonus Disc angesehen und er widerspricht Dir :)

Danke für die Info! War ja auch nur eine Vermutung von mir da es halt schon recht ungewöhnlich ist, also erst zwei Gialli zu drehen, danach drei komplett andere Filme und dann solch einen Film wie L´ Ultimo Treno della Notte zu drehen.

Seine erste Komödie drehte er, weil er die Möglichkeit hatte weiter in Venedig zu drehen, da dies quasi seine Heimat ist.

Das ist natürlich ein Grund den man menschlich sehr gut nachvollziehen kann!

Die Idee zu "Nachtzug" kam ihm wirklich erst 1975. Sein Produzent schlug ihm vor irgendwas mit Gewalt zu drehen, da dies gerade sehr erfolgversprechend war. Also dachte er sich dieses Dehbuch aus. Laut seinen Angaben hat er davor weder "Last house" noch "Die Jungfrauenquelle" gesehen. "Last house"

Umso höher muss man seinen Beitrag dann hier noch bewerten finde ich. Da er zum einen keine anderen Inspirationen zuvor gesichtet hat und mal so eben damit für mich die Referenz in diesem Genre gedreht hat!

Ja, viel weiter werde ich mich im Terrain wohl nicht vorwagen. Ich denke die Speerspitze habe ich heute gesehen.

Meine Lust hält sich auch in Grenzen mehr Filme aus dem Rape and Revenge Genre zu schauen. La Settima Donna ist da noch so eine Ausnahme die recht empfehlenswert ist, aber natürlich auch kein Vergleich zu diesem Meisterwerk hier von Aldo Lado.
 

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Danke für die Info! War ja auch nur eine Vermutung von mir da es halt schon recht ungewöhnlich ist, also erst zwei Gialli zu drehen, danach drei komplett andere Filme und dann solch einen Film wie L´ Ultimo Treno della Notte zu drehen.

Die klang auch nicht abwegig. Das war schon ein heftiger Schritt, den er da gegangen ist. Auch hier ist es für mich erstaunlich, das nach seinen 3 wirklich überragenden Filmen, nichts mehr kam.

Meine Lust hält sich auch in Grenzen mehr Filme aus dem Rape and Revenge Genre zu schauen. La Settima Donna ist da noch so eine Ausnahme die recht empfehlenswert ist, aber natürlich auch kein Vergleich zu diesem Meisterwerk hier von Aldo Lado.

Ich werde mich in jedem Fall noch mit "Die Jungfrauenquelle" beschäftigen, da dies ja tatsächlich die Quelle für das Genre sein soll. Das ist für mich zumindest erstmal filmhistorisch interessant. Vielleicht durch Zufall noch einen Italo aber das war es dann auch. Die heutigen Beiträge werde ich meiden und selbst geschenkt nicht einlegen. Wenn ich mir den Schnittbericht von "I spit on your grave 2" anschaue, verstehe ich warum ich dem heutigen Horror und Terrorfilm, den Rücken zugedreht habe. Solche Drecksfilme haben das Genre zerstört.
 
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