Mord - Sir John greift ein
In der frühen Phase des Tonfilms sprang auch Alfred Hitchcock auf den Zug auf. Im Jahr 1930 drehte er "Mord - Sir John greift ein". Kurios ist allerdings das er das gleiche Script in Deutschland nochmal verfilmte, um sich eben auch auf diesem Markt zu etablieren. Nur eben mit deutschen Darstellern und einer dramaturgischen Straffung.
Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie hatte ich nie große Lust auf den Film. Das wollte ich dann gestern Abend einmal ändern und werde mir natürlich auch noch
Mary anschauen.
Aber auch die britische Version des Stoffes, um die es hier hauptsächlich gehen soll, funktionierte nicht ganz so prächtig wie die meisten anderen Filme von ihm. Man merkte doch deutlich das es sich hier um eine Adaption eines Bühnenstückes handelt. Nicht unbedingt durch die Dramaturgie, sondern eher am ziemlich groben Schnitt und an der Abfolge der Szenen. Vieles wirkte eben wie eine Aneinanderreihung von Bühnenauftritten. Der Tatort, die Befragung der Polizei, die Gerichtsverhandlung sowie das Geschworenenzimmer wirkt etwas stillos hintereinander geklatscht.
Hier gehe ich absolut mit Dir. Irgendwie fehlt mir bei dem Film eine Dramatugie. In sich wirken manche Szenen noch okay, aber im gesamten Erzählfluss finde ich wirkt vieles noch etwas sehr holprig. Gerade die Gereichtsverhandlung fand ich sehr zäh und auch etwas komisch inszeniert. Spannung kam da für mich wirklich erst im Geschworenenzimmer auf.
Was mich aber wirklich wieder sehr beeindruckt hat war der Mut gewisse Dinge so zu zeigen. Das fing an mit dem doch recht ausladenden Dekolleté der Dame im Nachthemd über die Tatsache das der Mörder ein Transvestit war. Und als ob das schon nicht für die Entstehungszeit des Filmes provokant genug gewesen ist, lässt Hitchcock selbigen in einem vollem Familienzirkus Selbstmord begehen und nicht, was vielleicht sogar das naheliegenste gewesn wäre, das er einfach vom Hochseil runterspringt, nein er erhängt sich vor versammelter Manschaft. Klar sowas ist heutzutage kein großes Ding mehr, aber sowas 1930 zu zeigen denke ich wird den ein odere anderen Kinobesucher doch sicherlich etwas verstört haben und die Presse dürfte da bestimmt auch nicht so ganz begeistert von gewesen sein. Ich finde es also sehr mutig das er solche Dinge gezeigt hat. Und ich finde es auch verwunderlich das er dennoch eine große Karriere gemacht hat, obwohl er solche tabubrüche begangen hat. Wenn ich dann im direkten vergleich an
Michael Powell denke, der dreißig Jahre später für
Peeping Tom danach quasi geächtet wurde ist das schon eine interessante Sache das Hitchcock dennoch, obwohl er solche Tabus gebrochen hat, solch eine Karriere noch hingelegt hat.
Trotzdem ist ihm genau in dieser Phase eine frühe Fassung von "Die 12 Geschworenen" geglückt. Hier nimmt der Film auch Fahrt auf. Einer der Geschworenen ist der Titelheld der sich von den anderen zu einem Schuldspruch überreden läßt, diesen aber hinterher bereut, da er immer noch nicht überzeugt ist. Sir John greift nun ein und beginnt auf eigene Faust mit fremder Unterstützung zu ermitteln.
Die Ermittlungen von Sir John fand ich hingegen wieder recht gelungen, wenn natürlich auch hier nicht wirklich die Klasse seiner späteren Werke zu spüren war, was ich aber auch viel auf die Entstehungszeit schiebe, weil es immerhin 1930 war!
Auch hier ist Hitchcocks Lieblingsmotiv, des zu Unrecht beschuldigten Menschen, klar zu erkennen. Nur aus einer ungewohnten Perspektive, da die eher teilnahmslose Hauptverdächtige, eine Nebenrolle inne hat. Somit entwickelt sich ein "Whodoneit", ein Feld das Hitchcock eher weniger mochte und gegenüber Truffaut als langweilig bezeichnete. Dies merkt man dem Film auch ein wenig an.
Ja ich finde das spürt man dem Film auch an, das er sich glaube ich mit der Story nicht ganz wohl fühlte und, mal abgesehen von ein paar richtig guten Einstellungen, Dialogen oder auch Sets, im großen und ganzen weit hinter seinen Möglichkeiten blieb.
Wäre nicht die erstklassige Performance von Herbert Marshall allgegenwärtig, würde er wohl wesentlich schlechter abschneiden. Somit greift Sir John nicht nur in den Fall ein, sondern rettet auch noch den Film.
Abgesehen von seiner tollen Leistung wird mir wohl die Rasierszene für immer in Gedächtnis bleiben, besonders wenn man weiß wie sie entstanden ist. Diese "kleine Szene" zeigt sehr deutlich in welchen Dimmension Hitchcock immer gedacht hat. Abgesehen das man die Idee haben muss dann auch noch eine Lösung für damalige technische Probleme finden. Heutzutage natürlich absolut kein Problem so eine Szene in der Postproduktion zu vertonen, aber damals sowohl ein Tonband Gerät laufen zu lassen, mit der zuvor besprochenen Passage von
Herbert Marshall aber dann noch zusätzlich, damit die passende Filmmusik zu hören ist, einfach beim Dreh hinter der Wand ein 30-Mann-Orchester spielen zu lassen, das hat auf jeden Fall was! Ich bin mir sicher viele hätten hier beim Dreh gesagt ein Klavier oder eine Geige würde auch reichen, aber nicht Hitchcock! Sowas finde ich immer absolut fasznierend und ich kann mir nur halbwegs vorstellen wie Leute bei dieser Produktion geschaut haben als er zuerst die Idee vorgetragen hat, aber dann eben auch dem Dreh bewiesen hat das sowas dann funktioniert! Und das dann auch noch so auf die finale Filmrolle zu bannen das es im fertigen Film sich anhört wie es sich anhört, das fand ich schon gigantisch!
Insgesamt ist dem Meisterregisseur aber trotzdem nur ein eher durchschnittlicher Film geglückt.
Dem kann ich mich anschließen. Ich tendiere hier zu einer
5.5-6/10 für den Film. Es gibt ein paar sehr interessante Aspekte an dem Film, aber im großen und ganzen bezweifele ich das ich ihn mir nochmals anschauen werde.